Klin Padiatr 2011; 223 - P064
DOI: 10.1055/s-0031-1273865

Bild eines X-chromosomalen Alport-Syndroms bei einem heterozygoten Mädchen durch ungleiche X-Inaktivierung

K Straßer 1, AK Büscher 1, J Höfele 2, AM Wingen 1, R Büscher 1, U Vester 1, PF Hoyer 1, S Weber 1
  • 1Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Essen, Essen
  • 2Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsmedizin Dr. Klein und Dr. Rost, Martinsried

Einleitung: Das Alport-Syndrom (AS) ist eine hereditäre Nephropathie mit progredienter Niereninsuffizienz, sensoneuronalem Hörverlust und typischen Augenveränderungen [1]. Mutationen in kodierenden Genen für Kollagen IV (COL4A3/4=autosomal; COL4A5=X-chromosomal)–ein Hauptbestandteil der Basalmembran in Niere, Innenohr und Auge–sind krankheitsverursachend [2].

Fallbericht: Wir berichten über ein sechsjähriges Mädchen mit der klinischen Präsentation eines AS und nachweisbarer Mutation im COL4A5-Gen. Sie fiel postpartal durch eine Innenohrschwerhörigkeit sowie im Alter von 2 Jahren durch eine Mikrohämaturie und Proteinurie (670mg/m2KOF/24h) auf, eine Nierenfunktionseinschränkung wurde bisher nicht festgestellt. Die lichtmikroskopische Untersuchung der Nierenbiopsie erbrachte einen unauffälligen Befund, elektronenmikroskopisch zeigte sich eine unregelmäßige Struktur der glomerulären Basalmembran mit Ausdünnung, Verdickung sowie Aufsplitterung der Lamina densa. Der Vater ist terminal niereninsuffizient und hat eine Innenohrschwerhörigkeit sowie Makulaveränderungen. Die Mutter und Großeltern mütterlicherseits weisen eine Innenohrschwerhörigkeit auf. Bei der Großmutter sowie zwei Tanten väterlicherseits ist eine Makrohämaturie nachweisbar. Molekulargenetisch präsentierte sich bei der Patientin eine heterozygote p.Gly869Arg-Mutation in Exon 31 des COL4A5-Gens.

Diskussion: Anamnese, Klinik und elektronenmikroskopischer Befund des Biopsats sprechen für eine hereditäre Nephropathie mit strukturell defekter glomerulärer Basalmembran. Die molekulargenetische Analyse weist eine X-chromosomal vererbte heterozygote Mutation des COL4A5-Gens durch Austausch von Glycin durch Arginin nach [3; 4]. Durch den epigenetischen Vorgang der X-Inaktivierung kann bei weiblichen heterozygoten Mutationsträgern die phänotypische Variabilität bedingt sein, so dass bei dieser Patientin das Bild eines AS auftreten kann. Eine AS-unabhängige Schwerhörigkeit ist in Betracht zu ziehen.