Klin Padiatr 2011; 223 - P104
DOI: 10.1055/s-0031-1273904

Das „betrunkene“ Neugeborene – akute transplazentare Ethanolintoxikation

N Naumann-Bartsch 1, D Klaffenbach 1, M Winkler 2, M Schroth 1
  • 1Kinder- und Jugendklinik, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
  • 2Frauenklinik, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen

Einleitung: Über die kindlichen Folgen einer chronischen Ethanolexposition während der Schwangerschaft ist viel bekannt. Die akute transplazentare Ethanolintoxikation hingegen ist selten; bisher wurden nur wenige Fälle publiziert.

Kasuistik: Eine 22-jährige III. Gravida II. Para mit Foetor alcoholicus wurde in der 38+4. Schwangerschaftswoche bei zunehmender Wehentätigkeit in die Geburtshilfe der Universitätsklinik eingeliefert. Aufgrund der akuten Ethanolintoxikation der Mutter sowie bei zurückliegender Sectio wurde die Indikation zur eiligen Sectio gestellt. Das männliche Neugeborene zeigte eine peripartale Depression mit initialer respiratorischer Insuffizienz; APGAR 3/5/7. Es wies eine muskuläre Hypotonie, soporöse Bewusstseinslage sowie träge Lichtreaktion auf. Stigmata eines fetalen Alkoholsyndroms fanden sich nicht. Der Junge wurde spontanatmend auf die neonatologische Intensivstation verlegt. Ein kindlicher Serumethanolspiegel von 2,07g/l (1,68 Promille) war nachweisbar. Im Verlauf traten eine metabolische Azidose sowie Hypoglykämien auf. Für ca. 24 Stunden schlief das Kind durchgehend und reagierte kaum auf Schmerzreize. Nach ca. 30 Stunden war der Ethanolspiegel unter 0,1g/l gesunken, und das Neugeborene zeigte ein adäquates Verhalten. Neurophysiologische Untersuchungen erbrachten Normalbefunde. Der Finnegan-Score zur Beurteilung einer möglichen Entzugssymptomatik war stets <5. Bei Kindswohlgefährdung erfolgte die Inobhutnahme des Kindes durch das lokale Jugendamt.

Schlussfolgerung: Die Aufnahme eines Neonaten mit akuter transplazentaren Ethanolintoxikation ist eine Rarität. Die adäquate Versorgung solcher Patienten verlangt eine intensive sowie multidisziplinäre Zusammenarbeit mehrerer Fachrichtungen. Mindestens in der Initialphase muss mit einer schweren peripartalen Depression bis hin zur Reanimationspflicht gerechnet werden. Dies impliziert, dass die Entbindung in einem solchen Fall zwingend in einem Zentrum der höchsten Versorgungsstufe (Perinatalzentrum Level I) stattfinden sollte.