Zeitschrift für Palliativmedizin 2011; 12(2): e1-e2
DOI: 10.1055/s-0031-1274592
Palliativpflege

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erfahrungsbericht

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. März 2011 (online)

Ausgangslage und Entwicklung der Situation

Herr M., Muslim, 72 Jahre alt, verstirbt nach einem 6-tägigen Aufenthalt auf der Palliativstation gegen 22:30 Uhr. Seit den Nachmittagsstunden halten sich die vier Söhne des Patienten im Zimmer des Sterbenden und die anwesenden fünf Frauen im Aufenthaltsraum für Besucher und auf dem Gang der Palliativstation auf.

Bereits zu dem Zeitpunkt, als sich der Zustand des Patienten am späten Nachmittag zunehmend reduziert, ist eine Unruhe der Angehörigen spürbar. Auch wenn diese Entwicklung sich schon seit 2 Tagen abzeichnete und mit den Angehörigen kommuniziert wurde, entwickelt sich zunehmend eine spannungsgeladene Stimmung. Im Laufe des Abends kommen immer mehr Besucher, und die Tür zum Patientenzimmer geht unaufhörlich auf und zu. Es sind schließlich ca. 30 Trauernde im Stationsbereich anwesend, die laut weinend und klagend das Sterben ihres Zugehörigen begleiten. Ein Ansprechpartner, mit dem Prozesse besprochen werden können und der die unruhige Menge an trauernden Menschen lenken kann, ist zunächst nicht auszumachen.

Als der Patient am Abend verstirbt, nimmt die Dynamik der Situation extrem zu. Männliche Angehörige, die sich im Zimmer des Verstorbenen befinden, brechen zusammen und liegen weinend auf dem Boden. Auf Anhieb ist nicht klar, wie viel Hilfe sie benötigen. Die Frauen, die nun auf dem Flur auf und ab laufen, weinen, wehklagen und sprechen laut arabisch. Diese Unruhe überträgt sich auch auf die Mitpatienten und deren Zugehörige, die vermehrt klingeln und den Nachtdienst auf diese spür- und hörbare Unruhe ansprechen und gelegentlich auch Unverständnis für die Störung ihrer Nachtruhe äußern.

Als die Pflegende des Nachtdienstes spürt, dass sie allein mit der Situation überfordert und den vielen trauernden Menschen und den Patienten der Station nicht gerecht wird, bittet sie die Hauptnachtwache des Hauses um Hilfe. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass die Angehörigen des Verstorbenen die Möglichkeit bekommen, sich ihrer Trauer hinzugeben, gleichzeitig aber Ruhe im Flurbereich der Station einkehrt. Da die Frauen sich nicht im Zimmer des Verstorbenen aufhalten dürfen, werden sie gebeten, den Aufenthaltsraum, dessen Tür geschlossen wird, und den hinteren Terrassenbereich zu nutzen. Die Hauptnachtwache kümmert sich um die Frauen, von denen einige kollabiert sind. Die Pflegekraft des Nachtdienstes sorgt sich um die trauernden Männer und findet im ältesten Sohn des Verstorbenen einen Ansprechpartner, der weitere Entscheidungen bezüglich der Versorgung des Verstorbenen trifft und dirigierende Funktion innerhalb der Trauergesellschaft übernimmt.

Das Gebet ist eines der fünf Säulen des Islam (Quelle: PhotoDisc).

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