Zusammenfassung
Hintergrund: Die bislang für den deutschsprachigen Raum existierenden Handlungs empfehlungen
zum Umgang mit postoperativer Übelkeit und Erbrechen (PONV) sollten durch ein Expertengremium
im Rahmen einer Konsensus-Konferenz aktualisiert werden.
Methode: Es erfolgte eine systematische Literaturrecherche mit dem Ziel, bestehende
Empfehlungen zu revidieren sowie evidenzbasierte, bewertete (Scottish Intercollegiate
Guidelines Network = SIGN) und konsentierte Aussagen zum Umgang mit PONV zu erarbeiten.
Ergebnisse: Relevante Risikofaktoren für PONV sind weibliches Geschlecht, Nichtraucher
status, PONV in der Anamnese, Reisekrankheit, die Verwendung intra- und postoperativer
Opioide, die Applikation von Inhalationsanästhetika und Lachgas sowie die Narkosedauer.
PONV-Risikoprognosesysteme ermöglichen eine orientierende Risiko ein schätzung als
Grundlage einer risikoadaptierten Vorgehensweise. Da bislang jedoch nicht gezeigt
werden konnte, dass eine risikoadaptierte Prophylaxe gegenüber der risikounabhängigen,
fixen (Kombinations-)Prophylaxe Vorteile mit sich bringt und PONV-Prognosesysteme
überdies mit inhärenten Limitationen behaftet sind, kann sich ein fixes Prophylaxeschema
als vorteilhaft erweisen. Unabhängig von der Prophylaxestrategie besteht bei Hochrisikopatienten
die Notwendigkeit einer multimodalen Prophylaxe durch Vermeiden bekannter Risikofaktoren
sowie die Applikation validierter, effektiver Interventionen. Bei Auftreten von PONV
ist aufgrund der Bedeutung für den Patienten sowie ökonomischer und medikolegaler
Implikationen eine rasche Therapie angezeigt.
Schlussfolgerung: Vor dem Hintergrund des Einflusses von PONV auf die Patienten zufriedenheit
und der Verfügbarkeit effektiver und sicherer Prophylaxe- und Therapiemaßnahmen sind
insbesondere weitere Anstrengungen zu unternehmen, die gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich
in die tägliche Praxis umzusetzen und damit das Outcome der Patienten zu verbessern.
Abstract
Background: The aim was to update recommendations concerning the management of postoperative
nausea and vomiting (PONV) for German speaking countries.
Methods: An expert panel produced evidence-based, consented statements graded according
to the Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN).
Results: Relevant risk factors for PONV include female gender, non-smoking status,
history of PONV, history of motion sickness, use of intra- and postoperative opioids,
volatile anesthetics and nitrous oxide. PONV scoring systems allow for an approximative
risk assessment as a basis for a risk adapted approach. Since a risk-adapted prophylaxis
vs. a risk-independent, fixed (combined) prophylaxis has not yet proven superior and
because of inherent limitations of PONV scoring systems a fixed prophylaxis may be
favourable. Regardless of the strategy for prophylaxis of PONV, high risk patients
must be given a multimodal prophylaxis by avoiding known risk factors and applying
multiple validated and effective antiemetic interventions. In the case of PONV immediate
treatment is indicated due to its relevance for patients as well as the economic and
medicolegal implications PONV may have.
Conclusions: Given the impact of PONV on patient satisfaction and the availability
of effective and safe measures to prevent and treat PONV, further efforts should be
taken to actually implement present evidence in order to improve patientŽs outcome
following surgical procedures.
Schlüsselwörter:
Konsensuskonferenz - Empfehlungen - Übelkeit - Erbrechen - Narkose - PONV - Patientenzufriedenheit
- Outcome
Keywords:
consensus meeting - recommendations - nausea - vomiting - anaesthesia - PONV
Kernaussagen
Mit einer Inzidenz von 20–30 % ist PONV ohne entsprechende Prophylaxe weiterhin eine
der häufigsten Komplikationen nach Operationen in Allgemeinanästhesie unter Verwendung
von volatilen Anästhetika. Aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Patientenzufriedenheit
als auch ihrer ökonomischen und medizinischen Folgen ist sie von großer Bedeutung
für den klinisch tätigen Anästhesisten.
Die wesentlichsten, gesicherten Risikofaktoren für PONV umfassen: weibliches Geschlecht,
PONV in der Anamnese, Reisekrankheit, Nichtraucherstatus, volatile Anästhetika, Anästhesiedauer,
Opioide und Lachgas.
Die auf validierten Risikofaktoren basierenden etablierten Prognosesysteme können
dabei helfen, das individuelle PONV-Risiko abzuschätzen und insbesondere Hochrisikopatienten
zu identifizieren, bei denen eine multimodale Prophylaxe indiziert ist.
Es stehen eine Reihe gut verträglicher und umfangreich evaluierter Antiemetika zur
Anwendung bei Erwachsenen und Kindern zur Verfügung. Hierbei gilt es zu berücksichtigen,
dass die Kombination verschiedener Substanzen aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen
eine additive Wirkung erzielt.
Bei Entscheidung für eine Prophylaxe ist zu bedenken, dass der PONV-protektive Effekt
einer total intravenösen Anästhesie nur intraoperativ greift und in der postoperativen
Phase nicht mehr „nachgeholt“ werden kann. Daher sollte eine TIVA insbesondere bei
überdurchschnittlichem Risiko mit höherer Priorität erfolgen als die alleinige Verabreichung
von Antiemetika.
Für die Therapie von PONV gilt:
rasche Einleitung – Kombinationstherapie erwägen,
engmaschige Erfolgskontrolle und
ggf. Erweiterung um zusätzliche Interventionen.
Sowohl ein individueller, streng risikoabhängiger Algorithmus als auch ein risikounabhängiger,
mit fixer Antiemetikagabe assoziierter Algorithmus sind durchführbar. Dabei ist im
Zweifelsfall eine fixe, risikounabhängige Prophylaxe aufgrund einer einfacheren Implementierung
zu bevorzugen. Bei besonderer Risikokonstellation kann diese nochmals erweitert werden.
Vor dem Hintergrund, dass diese für den Patientenzufriedenheit wichtige Problematik
nach wie vor unzureichend berücksichtigt wird, ist vor allem entscheidend, dass überhaupt
ein umfassendes PONV-Management in der täglichen Praxis implementiert wird, und weniger,
welche Strategie im Detail zu wählen ist.