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DOI: 10.1055/s-0031-1275496
Hätten Sie’s gewusst? – Darf man heute noch weibliche Geschlechtshormone verschreiben?
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
04. April 2011 (online)
Bis vor 10 Jahren hat man Frauen mit klimakterischen Beschwerden großzügig Östrogene und Gestagene verabreicht. Dann ergaben Studien [*] , dass dieses Vorgehen gewisse Risiken birgt. Wir fragten Prof. Dr. Olaf Ortmann, Direktor der Regensburger Uniklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, ob es trotzdem noch Indikationen für die Hormontherapie gibt.
Warum ist man heute mit der Verordnung einer Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause zurückhaltender als früher?
Prof. Ortmann: Früher glaubte man, dass die Postmenopause ein substitutionspflichtiger Zustand ist. In Analogie zur Hypothyreose oder zum Diabetes ist so der überholte Begriff „Hormonersatztherapie” entstanden. In Beobachtungsstudien fand man Hinweise darauf, dass eine Hormontherapie möglicherweise vor kardiovaskulären Ereignissen oder kognitiven Dysfunktionen schützt. Das hat sich dann in später durchgeführten randomisiert-kontrollierten Studien aber nicht bestätigt. Diese Arbeiten zeigten, dass eine Protektion für die KHK leider nicht funktioniert. Damit fehlte plötzlich der wichtigste erwartete Benefit. Zudem fand man assoziierte Risiken, die die Nutzen-Risiko-Relation zu Ungunsten der Hormontherapie kippen ließen.
Worin bestehen diese Risiken?
Prof. Ortmann: Die Patientinnen hatten ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien und Schlaganfälle. Zudem hatten sie häufiger Gallensteine und Cholangitiden. Ein weiterer wichtiger Punkt sind hormonabhängige Tumoren: Auch das Risiko für Mamma- und Ovarialkarzinome war erhöht. Mehr Endometriumkarzinome fand man nur bei Frauen, die man mit einer Monotherapie mit Östrogenen behandelte. Die Gestagene in der Standard-Hormontherapie schützen das Endometrium offensichtlich vor bösartigen Veränderungen.
Warum gibt man trotz dieser Risiken überhaupt noch Hormone?
Prof. Ortmann: Diese Risiken sind um ein Vielfaches geringer als z. B. bei der Assoziation zwischen Nikotinabusus und Bronchialkarzinom und spielen bei gesunden Frauen keine große Rolle. Zudem kommen viele der negativen Effekte erst zum Tragen, wenn die Hormone für viele Jahre genommen werden. Deshalb kann man nach wie vor Hormone geben – sofern man sich an klare Indikationen hält: Dies sind vor allem vasomotorische Beschwerden – die sogenannten Hitzewallungen – als Kardinalsymptom in den Wechseljahren. Damit assoziierte Probleme wie Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche und Stimmungsschwankungen können durch die Hormone verbessert werden. Eine weitere Indikation ist die Vaginalatrophie, ein häufig unterschätztes, aber für Betroffene sehr relevantes Problem. Auch bei rezidivierenden Harnwegsinfekten sind Hormone eine gute Alternative zu einer immer wieder durchgeführten Antibiose. Die Prävention bzw. Behandlung der Osteoporose oder osteoporosebedingter Frakturen kann auch eine Indikation sein – wobei hier Calcium-Vitamin-D-Präparate und Bisphosphonate die erste Wahl sind.
Was sind Kontraindikationen für eine Hormontherapie?
Prof. Ortmann: Bei Frauen mit kardio- oder zerebrovaskulären Leiden oder Thromboembolien sollte man vorsichtig sein. Auch bei hormonabhängigen Tumorerkrankungen wie einem Mammakarzinom darf man Geschlechtshormone nur in absoluten Ausnahmen applizieren.
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1 v. a. Studien der „Women’s Health Initiative” (WHI). Mehr zur WHI unter: www.nhlbi.nih.gov/whi