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DOI: 10.1055/s-0031-1276684
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
"Unser Anspruch ist ein anderer, als billig zu sein"
Interview mit Dr. Markus MielePublikationsverlauf
Publikationsdatum:
18. April 2011 (online)
1899 gründeten der Maurer Carl Miele und der Handelsreisende Reinhard Zinkann in einer ehemaligen Korn- und Sägemühle im ostwestfälischen Herzebrock die Zentrifugen-Fabrik Miele & Cie. Mit 11 Mitarbeitern, 4 Drehbänken und einer Bohrmaschine bauten sie zunächst Milchzentrifugen. Im Jahre 1900 kamen Buttermaschinen hinzu, auf deren technischen Grundlage dann die erste Waschmaschine entwickelt wurde. Bis heute stehen die Familien Miele und Zinkann an der Unternehmensspitze und haben in den letzten 111 Jahren, getreu dem Gründerväter-Motto "immer besser", das Familienunternehmen zu einem der führenden Hersteller von Haushaltsgeräten gemacht. Aber Miele baut nicht nur Waschmaschinen und Staubsauger für den Hausgebrauch. 1965 beginnt Miele mit dem Bau von gewerblichen Wäschereimaschinen und Melkanlagen; seit den 60er Jahren auch Geräte für den medizinischen Bereich. Aus den Anfängen der Laborspüler ist inzwischen die Geschäftssparte "Miele-Professional" geworden, die sich im Medizinbereich schrittweise vom Geräte-Lieferanten zum Systemanbieter entwickelt.
Dr. Markus Miele
Wir sprachen mit Dr. Markus Miele, Urenkel des Firmengründers und derzeit mit Dr. Reinhard Zinkann geschäftsführender Gesellschafter, über Mieles Ambitionen im "Professional" Bereich.
? Herr Dr. Miele, der Name Miele steht seit fast 112 Jahren für Haushaltsgeräte. Ihr Urgroßvater hat mit Reinhard Zinkann zusammen erst Milchzentrifugen und Hand-Buttermaschinen, dann Haushaltshelfer wie die erste Waschmaschine oder den Staubsauger gebaut. Wie kommt ein Haushaltsgerätehersteller dazu, Reinigungs- und Desinfektionsgeräte für Krankenhäuser oder Arztpraxen zu entwickeln?
Dr. Markus Miele: In unserem Unternehmen hat es solche Entwicklungen schon früh gegeben. Das erste Produkt, das wir heute zum Bereich Professional zählen, haben wir bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts produziert: Eine Trommelwaschmaschine, die beispielsweise auch in Krankenhäusern oder auf Gutshöfen eingesetzt wurde.
Die Idee, eine Waschmaschine für Großbetriebe zu bauen, hatte mein Urgroßvater, da er auf einem Bauernhof aufgewachsen war und wusste, dass dort viel Wäsche anfiel. So kam man bei Miele schon relativ früh auf die Idee, für Großwäschereien voluminösere Geräte zu bauen.
? Wann hat Miele angefangen, Geräte für den medizinischen Bereich zu entwickeln?
Miele: Die Kernzelle für unsere Instrumentenspüler war der vollautomatische Geschirrspüler für den Haushalt, den wir 1960 auf den Markt gebracht haben. Jedoch lief die Entwicklung nicht unbedingt parallel. Im Labor gibt es unterschiedlichste Verunreinigungen, die nicht zu vergleichen sind mit denen im Haushalt. Deshalb haben wir auf der Basis eines Haushaltgeschirrspülers einen Laborspüler für die speziellen Anforderungen entwickelt. Laborspüler müssen mit anderen hartnäckigen Verschmutzungen oder intensiven Farbstoffen fertig werden. Zudem stand im Labor neben der großen Arbeitserleichterung besonders auch der Arbeitsschutz im Vordergrund. Im Vergleich zur manuellen Reinigung wurde sehr schnell deutlich, dass das Ergebnis gleichbleibend und damit wiederholbar war, ein wichtiger Aspekt beispielsweise für Krankenhäuser.
Die Entwicklung von Reinigungs- und Desinfektionsgeräten für den Medizinbereich kam als Folgeschritt erst später hinzu. Diesen Bereich haben wir dann in den 1970er und 1980er Jahren kontinuierlich vergrößert und uns weiter spezialisiert. Wichtige Schritte in der Entwicklung setzten wir mit dem Thermodesinfektor und der Möglichkeit zur Aufbereitung von Instrumenten für die minimalinvasive Chirurgie ab den 1990er Jahren.
? Die ersten gewerblichen Maschinen waren Weiterentwicklungen von Haushaltsgeräten. Im vergangenen Jahr hat der Professional-Umsatz überproportional zugelegt - Tendenz steigend. Schafft man das so nebenbei, mit Nebenprodukten aus dem Kerngeschäft?
Miele: Wir haben heute deutlich größere und auf den Bereich Professional fokussierte Entwicklungsabteilungen. Vor 2 Jahren haben wir in Bielefeld ein neues Kompetenzzentrum gebaut, um uns damit stärker auf den Medizin- und Dentalbereich zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang wurden alle Entwickler und Produktionsmitarbeiter, die sich in Bielefeld mit der Medizintechnik beschäftigen, in einem Segment konzentriert.
? Das Reinigen und Desinfizieren ist in den letzten 50 Jahren, also seit der Entwicklung des ersten Laborspülers durch höhere Anforderungen, kompliziertere Instrumente und nicht zuletzt gesetzliche Auflagen nicht einfacher geworden. Reicht da - etwas vereinfacht gesagt - noch heißes Wasser und Seife?
Miele: Nein, das hat sich deutlich geändert. Heute geht es um die Mechanik und Chemie und um immer komplexere Instrumente. Wir arbeiten intensiv an speziellen Lösungen, diese aufbereiten zu können. Das heißt, wir müssen neue Programme und Gerätelösungen bieten. Hierzu brauchen wir den ständigen Kontakt mit entsprechenden Instituten. Aber es geht auch um ganz andere Anforderungen wie den Wasser- und Energieverbrauch zu reduzieren, Zeitersparnis durch verkürzte Chargenzeiten, d. h. Durchlaufzeiten zu erzielen, um dem Operateur das Instrumentarium wieder schnell zur Verfügung stellen zu können. Weitere Themen sind die Aufbereitung von orthopädischen Instrumenten oder Instrumenten für die minimalinvasive Chirurgie.
? Was ist an der Aufbereitung orthopädischer Instrumente so problematisch?
Miele: Orthopädische Instrumente und vor allem Motorensysteme haben einen hohen Aluminiumanteil. Wenn man sie mit einem alkalischen Reinigungsmittel reinigt, könnten sie beschädigt werden. Wir mussten also nach einem Verfahren für Medizinprodukte aus Aluminium suchen, das diese Instrumente schonend aber trotzdem gut reinigt. Hierfür haben wir das Spezialprogramm Orthovario entwickelt, das durch den Einsatz von speziellen Prozesschemikalien besonders schonend bei sehr guten Reinigungsergebnissen arbeitet.
Aber nicht nur für die alkalisch-empfindlichen Medizinprodukte mussten Lösungen gefunden werden, sondern auch für die nach RKI-Richtlinien kritischen bzw. reinigungskritischen Instrumente. So haben wir vor einigen Jahren das Programm Oxivario entwickelt, das die Prionenanzahl deutlich reduziert. Das schafft man mit der Zugabe von Wasserstoffperoxid während der alkalischen Reinigung - also Mechanik plus Chemie. Mit Oxivario haben wir für einige Krankenhäuser, die entsprechend kontaminiertes Spülgut haben, ein Problem lösen können.
? Sie haben angekündigt, dass sich Miele im Medizin- und Dentalbereich schrittweise vom Geräte-Lieferanten zum Systemanbieter entwickeln will. Was wird aus den "klassischen", also kleinen Reinigungs- und Desinfektionsautomaten? Wird deren Weiterentwicklung dann hintenangestellt?
Miele: Nein sicherlich nicht! Im Dental-Bereich sind wir seit vielen Jahren mit unseren Thermo-Desinfektoren vertreten. Reinigung und Desinfektion ist aber nur ein Teil des Prozesses. Danach müssen die Instrumente noch sterilisiert werden. Wir haben uns deshalb entschlossen, hier weitere Kompetenz im Bereich der Sterilisation aufzubauen und sind mit einem Dentalsterilisator auf den Markt gekommen. Auch aus dem Krankenhausbereich kommt zunehmend die Anforderung, den gesamten Prozess der Instrumentenaufbereitung abzudecken.
Wir beherrschen den Teilprozess Reinigung/Desinfektion seit langer Zeit gut. Im Bereich Sterilisation werden wir unsere Kompetenz weiter ausbauen. Auch hier erweitern wir unser Produktprogramm um Großsterilisatoren ab Mitte 2011.
? Für den von Miele auf der MEDICA 2010 vorgestellten neuen Großsterilisator "Generation PS 5000" muss ein Krankenhaus hoch investieren. Ab wann lohnt sich der Kauf eines solchen Großsterilisators für eine Klinik?
Miele: Eine pauschale Aussage hierzu gibt es nicht, da dies sehr stark von der Spezialisierung des Krankenhauses oder Dienstleisters abhängt und immer eine individuelle Entscheidung ist: Welche Bestecke? Wie viele OPs? Wie viele Sterilguteinheiten fallen täglich an? Wie groß ist das Krankenhaus? Das muss analysiert werden.
? Was bietet ein solcher Großsterilisator für sein Geld?
Miele: Aus dem Krankenhausbereich kommt zunehmend die Anforderung, den gesamten Prozess der Instrumentenaufbereitung abzudecken. Wir bieten mit dieser Reihe eine Komplettlösung, die alle Aufbereitungsstufen abdeckt. Auch Containerwaschanlagen können zu diesem System gehören. Selbstverständlich bieten wir für alle Gerätetypen den entsprechenden Service an.
? Die Wirtschaftlichkeit sei beeindruckend, schwärmt Miele. Was ist daran so wirtschaftlich?
Miele: Bei kurzen Durchlaufzeiten ist das Instrumentarium wieder sofort verfügbar. Außerdem muss das Krankenhaus wesentlich weniger oft neue Instrumente anschaffen, da diese im Reinigungsprozess schonend behandelt worden sind und damit eine längere Lebensdauer haben. Somit kann der Kapitaleinsatz deutlich reduziert werden. Aber auch die laufenden Betriebskosten wie Energie- und Wasserverbrauch konnten wir senken, ohne dass die Reinigungsergebnisse davon negativ beeinflusst werden.
? Anlagen und Instrumente bilden zusammen genommen eine sehr komplexe Einheit. Erfordert dieses spezielle Kenntnisse bei der Bedienung?
Miele: Es ist wichtig, dass das Personal vor Ort weiß, welches Programm wann gewählt und eingestellt werden muss. Dazu gehören Kenntnisse über die Instrumente, aber auch über das Einsortieren in die Körbe. Spezialinstrumente müssen so einsortiert werden, dass sie auch gereinigt werden können, sonst kann auch der beste Reinigungs- und Desinfektionsautomat nichts machen. Als Hersteller übernimmt Miele natürlich auch die Einweisung des Krankenhauspersonals vor Ort. Wir bieten zudem Wiederholungsschulungen an und bei neuem Personal weisen wir wieder ein. Nur dann kann man ein gutes Ergebnis sicherstellen.
? Der Discounter Lidl wirbt damit, dass er so ziemlich alles sei, außer teuer. Von Miele könnte man umgekehrt sagen, Miele sei so ziemlich alles, aber nicht billig. Würden Sie dem widersprechen?
Miele: Unser Anspruch ist ein anderer, als billig zu sein. Wir wollen qualitativ hochwertige und langlebige Geräte liefern. Aber das Gerät ist nur ein Baustein im System. Gerade im Krankenhausbereich ist es extrem wichtig, dass im Fehlerfall ein schneller Service gewährleistet ist, damit die Anlage wieder verfügbar ist.
? Miele ist ein Familienunternehmen und gehört seit 1899 den Familien Miele und Zinkann. Bis heute wird Miele von beiden Familien geführt. Warum ist der Name Zinkann nie Teil des Firmennamens gewesen?
Miele: Mein Urgroßvater kam vom Bauernhof, hatte später einen kleinen Laden für Baustoffe. Reinhard Zinkann war Reisender für Baustoffe. So haben sie sich kennengelernt und die Entscheidung getroffen, eine gemeinsame Firma zu gründen. Mein Urgroßvater hatte schon 2 Jahre vorher zusammen mit einem anderen Kompagnon eine Firma, in der die Zusammenarbeit aber letztlich nicht funktioniert hat. Bei einer Neugründung wurde der Markenname Miele gewählt und daran hat sich nichts geändert.
!Herr Dr. Miele, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Anne Marie Feldkamp, Bochum