Aktuelle Ernährungsmedizin 2011; 36 - P3_2
DOI: 10.1055/s-0031-1276771

Folsäureanreicherung in Österreich – Der aktuelle Stand der Diskussion zu möglichem Nutzen und Risiko im Vergleich zu den USA und ausgewählten Ländern der EU

E Girardi 1, D Grach 1
  • 1FH JOANNEUM Bad Gleichenberg, Studiengang Diätologie

Einführung: Laut dem aktuellen österreichischen Ernährungsbericht liegt die tägliche Zufuhr an Folsäure von Frauen im gebärfähigen Alter mit durchschnittlich 183–216µg deutlich unter den empfohlenen 400µg bzw. perikonzeptionell empfohlenen 600µg. Eine verpflichtende Folsäure-Anreicherung von Mehl als Maßnahme zur Verbesserung der Folsäure-Zufuhr und damit zur Senkung der Rate an Neurahlrohrdefekten wurde bislang nicht umgesetzt, obwohl etwa in den USA seit über 20 Jahren Erfahrungen mit einer solchen Maßnahme existieren. Diese Arbeit soll die Diskussion um eine generelle Anreicherung in Ländern wie Österreich, den USA und ausgewählten Ländern der EU beleuchten, um die österreichische Entscheidung verständlich zu machen.

Methode: Die Arbeit basiert auf einer Literaturrecherche in PubMed von Studien erschienen seit 2008, unter Einbeziehung relevanter gesundheitspolitischer Stellungnahmen.

Ergebnisse: In über 50 Ländern weltweit wurde eine generelle Folsäure-Anreicherung eingeführt, mit dem Ziel, die Rate an Neuralrohrdefekten zu senken. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme zeigt sich durchgehend, so sank etwa in den USA die Prävalenz von Neuralrohdefekten im Vergleich 1995–1996 zu 2006 sogar um 36%, d.h. von 10,8 Fällen pro 10.000 Geburten auf 6,9. Mögliche Risiken, wie etwa ein möglicher Zusammenhang zwischen einem erhöhten Serum-Folat-Spiegel und der Entstehung von Krebserkrankungen hingegen sind bis heute nur unzureichend erforscht, was eine Risiko-Nutzen-Analyse erschwert. Dies wurde in Österreich als Begründung gegen eine Anreicherung angeführt.

Schlussfolgerung: Um ein Risiko für die Gesamtbevölkerung durch eine generelle Anreicherung auszuschließen, müssen weitere Studien durchgeführt werden. Für Österreich gilt, dass eine verbesserte Situation perikonzeptioneller Supplementation in ähnlicher Weise die Rate an Neuralrohrdefekten senken könnte.