Aktuelle Ernährungsmedizin 2011; 36 - P4_6
DOI: 10.1055/s-0031-1276785

Individuelle Ernährungsberatung bewirkt eine erhöhte Energie- und Eiweisszufuhr bei unterernährten, ambulanten Krebspatienten

U Rüfenacht 1, M Rühlin 1, M Pless 1, S Dieterle 1, R Imoberdorf 1, PE Ballmer 1
  • 1Kantonsspital Winterthur, Departement Medizin

Einleitung: Gewichtsverlust ist ein häufiges Symptom bei Tumorpatienten. Ein schlechter Ernährungszustand begünstigt Therapienebenwirkungen und kann zu vermindertem Ansprechen auf die onkologische Behandlung führen. In einer Vorstudie mit unterernährten, hospitalisierten Patienten zeigten wir, dass eine gezielte ernährungstherapeutische Betreuung durch klinisch tätige Ernährungsberaterinnen die Nahrungszufuhr sowie die Lebensqualität verbesserte. Mit der aktuellen Studie untersuchten wir die Wirksamkeit der Ernährungsintervention durch gezielte Ernährungsberatung auf die Nahrungszufuhr und die Lebensqualität von ambulanten Tumorpatienten.

Methoden: Wir randomisierten unterernährte, ambulante Krebspatienten in zwei Gruppen. Die eine Gruppe (ET) erhielt Ernährungstherapie durch die Ernährungsberaterin mittels individuell auf den Patienten abgestimmten Massnahmen unter Einbezug von Zwischenmahlzeiten, Anreicherungen, Getränken sowie energiedichter und eiweissreicher Trinknahrung. Die andere Gruppe (UC) erhielt keine spezifische ernährungstherapeutische Betreuung, sondern wurde gemäß Standard des Tumorzentrums am Kantonsspital Winterthur behandelt. Die Studiendauer betrug 6 Monate. Die Patienten mit Ernährungstherapie erhielten während der ersten 3 Monate individuelle ernährungstherapeutische Betreuung. Zu Beginn der Studie, nach 6 Wochen sowie nach 3 und 6 Monaten erfolgten die Studienmessungen, bei welchen die Energie- und Eiweisszufuhr mit Essprotokollen und die Lebensqualität mithilfe von standardisierten Fragebögen (EORTC-QLQ-C30 und einer Visual analog scale bezüglich Nahrungsaufnahme) erfasst wurden.

Ergebnisse: Die ET-Gruppe zeigte eine signifikant höhere Energie- und Eiweisszufuhr als die UC-Gruppe (+379kcal, 95% CI: 117–642, p=0,007 bzw. +10,4g, 95% CI: 2,3–18,5, p=0,02), wobei kein Effekt in Bezug auf die Lebensqualität nachgewiesen werden konnte.

Schlussfolgerung: Individuelle Ernährungstherapie beeinflusste die Energie- und Eiweisszufuhr von Tumorpatienten signifikant. Möglicherweise erfolgte die Ernährungsintervention zu spät, um bei diesen Patienten in fortgeschrittenem Krankheitsstadium und reduziertem Ernährungszustand durch die Steigerung der Energie- und Eiweisszufuhr einen günstigen Effekt auf die Lebensqualität erzielen zu können. Wir vermuten, dass bei ambulanten onkologischen Patienten eine frühzeitige gezielte Ernährungsberatung und -therapie, angepasst an die individuelle Patientensituation, eingeleitet werden müsste, damit eine Verschlechterung des Ernährungszustandes verhindert bzw. verzögert werden kann. Diese Hypothese muss allerdings noch im Rahmen weiterer Studien belegt werden.