Der Klinikarzt 2011; 40(3): 111
DOI: 10.1055/s-0031-1277683
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Begleitung im Krankenhausalltag: Unverzichtbares Ehrenamt

Winfried Hardinghaus
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Publikationsdatum:
18. April 2011 (online)

Bundespräsident Christian Wulff hat es in seiner Weihnachtsansprache im letzten Jahr so ausgedrückt: „Zusammenhalt, Verständigung, Miteinanderauskommen: All das geschieht nicht von allein. Dafür muss man etwas tun. Unsere Gesellschaft lebt von denen, die sehen, wo sie gebraucht werden, die nicht dreimal überlegen, ob sie sich einsetzen und Verantwortung übernehmen.“ Angesprochen hat er damit die Millionen ehrenamtlichen und freiwilligen Helfer in Kirchen, karitativen Einrichtungen, Vereinen, Musik- und Theatergruppen, in Ämtern oder einfach als Nachbarschaftshilfe.

Wir Ärzte – und da darf ich auch für alle anderen Klinikmitarbeiter/innen sprechen – sind mehr denn je auf Menschen angewiesen, die uns freiwillig, engagiert – im Ehrenamt – zur Seite stehen. Ich denke an die Besuchsdienste, die einfach nur zuhören, an die „grünen Damen”, die wir auf den Fluren mit einem Bücherwagen antreffen, wertvolle Fachkräfte für das Alltägliche sozusagen. Ich denke auch an die, die auf der Palliativstation oder bei sozialen und spirituellen Notlagen als mitunter perfekte Krisenmanager unsere Patienten auffangen und mitbegleiten. Die Lebenswelt im Krankenhaus unterliegt einem dramatischen Wandel, der beschrieben wird durch kürzere Verweildauer der Patienten, eine enorm wachsende Arbeitsbelastung bei gleichzeitig erhöhtem Bedarf der Patienten an Kommunikation und persönlicher Begleitung.

Dazu kommt der demografische Wandel, der uns mit Krankheitsbildern von Demenz und anderen altersbedingten Syndromen in Häufigkeiten konfrontiert, die uns immer weniger Freiraum in der Zuwendung zum Patienten lässt und die über das medizinisch Erforderliche hinausgeht.

Besonders Patienten, die nicht von Angehörigen, Freunden und Bekannten in ihrer Krankenhauszeit begleitet werden, brauchen die Hilfe der Ehrenamtlichen, die damit längst zu einer weiteren Säule einer ganzheitlich-medizinischen Betreuung geworden sind. Das gilt auch für die zahlreichen inzwischen entstandenen Selbsthilfegruppen, die wichtige Partner von uns Ärzten geworden sind. Nebenbei sind von den schätzungsweise 15 000 ehrenamtlich tätigen Menschen im Krankenhaus nur ca. 5 % männlich.

Daher darf und muss das Engagement dieser Ehrenamtlichen auch positiv auf sie selbst zurückfallen. Sie sollen die entsprechende Wertschätzung nicht nur durch eigene Sinngebung und Dankbarkeit der Betreuten, sondern auch besonders durch uns erleben: Sie spüren jeden Tag, sie werden gebraucht, man verlässt sich auf sie.

Begleiten

Zu begleiten ist ein Wagnis.

Wenn du begleitest,

veränderst du dich und die

Gesellschaft.

Denn –

die Welt wird durchsichtiger und

erfüllter.

Feineres Gespür lässt Wege finden,

die zu anderen führen.

Frage dich,

ob du diesen ganzen Einsatz

für dich

und andere leisten willst.

Pearl S. Buck

Gott sei Dank steigt der Stellenwert des Ehrenamtes in der Gesellschaft und die Helfer/innen sind selbst auch Teil eines Netzwerkes, das sie auffängt. Ursula von der Leyen unterstrich: „Die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements eröffnet riesige Chancen für die Zukunft unserer Gesellschaft.“

Zurück zum Alltag: Die Grenzen einer von unseren Geschäftsführern immer wieder geforderten Effizienzsteigerung im Krankenhaus zeigen sich nicht zuletzt dort, wo die professionellen Mitarbeiter chronische Belastungssymptome wie Rückenschmerzen, Burnout u.a. zeigen. Infolgedessen müssen mit der am 6.10.2010 von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder im Rahmen der „Nationalen Engagementstrategie“ gestellten Forderung nach Verbesserung von Rahmenbedingungen ehrenamtlicher Tätigkeit auch die Arbeitsbedingungen Professioneller mitbedacht und verändert werden. Dieser Aspekt ist ebenfalls das Resümee einer bereits 2003 vorgestellten wissenschaftlichen Studie zur Rolle des Ehrenamtes im Krankenhaus – der einzigen im Übrigen, die ich dazu gefunden habe (H. Diekwisch, Arbeitsplatz Krankenhaus und ehrenamtliche Tätigkeit – Einstellungen des Pflegepersonals zur ehrenamtlichen Tätigkeit der „Grünen Damen“ im Krankenhaus, Universität Bielefeld).

Jedenfalls dürfen die Ehrenamtlichen nicht zu Lückenbüßern im Klinikalltag und auch nicht von Kosten- oder Krankenhausträgern aus rein ökonomischen Beweggründen ins Rennen geschickt werden.

Aber ein Krankenhaus, das den Mitmenschen im Patienten nicht ausblenden und Kräfte mobilisieren will, das die Kranken im Krankenhausalltag und in seiner besonderen Lebenssituation begleitet, tut gut daran, sich ein Netzwerk von Ehrenamtlichen oder freiwilligen Helfer/innen aufzubauen und zu pflegen.

Prof. Dr. med. Winfried Hardinghaus

Osnabrück