Notfallmedizin up2date 2011; 6(3): 181-188
DOI: 10.1055/s-0031-1279982
Allgemeine Prinzipien der Notfallmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das akute Inhalationstrauma

Andreas Jerrentrup, Clemens Kill
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Publikationsdatum:
26. Juli 2011 (online)

Fazit für die Praxis

Patienten mit akutem Inhalationstrauma können ein solches durch völlig verschiedene Schädigungsmechanismen erleiden. Es ist unabdingbar, zwischen Hitzetraumen (zum Beispiel Grillunfälle) und Schädigungen durch Inhalation toxischer Gase (zum Beispiel Wohnungsbrände) zu unterscheiden.

Gefährliche Folge einer Hitzeeinwirkung auf das respiratorische System kann ein Lungenödem sein, für das die präklinische Notfalltherapie in einer frühzeitigen (wenn möglich videolaryngoskopischen oder fiberoptischen) Intubation und Beatmung besteht. Für eine systemische oder lokale Kortisontherapie gibt es keine gesicherte Datenbasis, sie wird nicht empfohlen.

Bei Brandereignissen kann eine große Zahl von Personen gleichzeitig betroffen sein, Einsatzstellen können dadurch schnell sehr unübersichtlich werden. Hier ist eine konsequente Patientensichtung essenziell, wobei schon die Erstbeurteilung mindestens die Kurzanamnese (Aufenthalt in welchem Bereich und wie lange?), die Überprüfung von Gesicht und Mund-Rachen-Raum auf Rußspuren sowie die Messung der Atemfrequenz, die Lungenauskultation und die pulsoxymetrische Messung von SpO2 und SpCO enthalten muss. Letztere kann mittels spezieller Puls-CO‐Oxymeter ähnlich wie die gewöhnliche pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung erfolgen.

Sobald ein Patient mit Verdacht auf Rauchgasinhalation neurologische Symptome (wie zum Beispiel Unruhe oder Desorientiertheit) aufweist, muss an eine Kohlenmonoxid- oder Zyanidintoxikation gedacht werden. Abhängig vom SpCO‐Wert muss eine schnelle und konsequente Therapie erfolgen: Die Ersttherapie erfolgt in jedem Fall mit 100 % O2 mit hohem Fluss, die deshalb am besten als CPAP‐Therapie appliziert wird. Ab einem SpCO von 20 % ist die schnellstmögliche hyperbare Oxygenierungstherapie in einer geeigneten Druckkammer mit intensivmedizinischen Therapiemöglichkeiten auf jeden Fall indiziert. Bei neurologischen Symptomen und einem SpCO < 20 % muss von einer Zyanidintoxikation ausgegangen werden, die mit Hydroxycobolamin therapiert wird (der Einsatz des Methämoglobinbildners 4-DMAP ist kontraindiziert, wenn eine zusätzliche Kohlenmonoxidintoxikation nicht definitiv ausgeschlossen werden kann).

Auch bei der Inhalation toxischer Gase kann (ebenso wie bei Hitzeschäden) ein Lungenödem akut oder nach freiem Intervall auftreten, weshalb alle betroffenen Patienten ausreichend lange überwacht werden müssen. Ebenso wie bei Hitzeschäden gibt es für eine systemische oder inhalative Kortisontherapie keine gesicherten Daten, diese kann deshalb nicht empfohlen werden. An neuen Therapieoptionen (vor allem zur Atelektaseprophylaxe nach Rauchgasinhalation) werden aerosolisiertes Heparin und N‐Acetylcystein untersucht, gesicherte Daten aus größeren kontrollierten Studien fehlen hier jedoch noch.

Literatur

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Dr. Andreas Jerrentrup

Zentrum für Notfallmedizin
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Dr. Clemens Kill

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