Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(21): 1105
DOI: 10.1055/s-0031-1280517
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diabetes-Perspektiven 2011: Dialog – Erfahrung – Gewinn

Perspectives in diabetes 2011: dialogue – experience – benefitO. Kordonouri1
  • 1Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. Mai 2011 (online)

Dieses Schwerpunktheft der Deutschen Medizinischen Wochenschrift ist aktuellen Themen zur Diagnostik und Behandlung des Diabetes mellitus gewidmet. Anlass ist die 46. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft, die Anfang Juni in Leipzig stattfindet. Sie steht unter dem Motto „Perspektiven Leipzig 2011: Dialog – Erfahrung – Gewinn”. Die verschiedenen Sichtweisen des Kongressbesuchers und des Lesers auf den Fokus Diabetes spielten bei der Gestaltung des Kongressprogramms und bei der Themenauswahl dieses Heftes eine ausschlaggebende Rolle. Wir haben uns bemüht, mit den hier vorgestellten Beiträgen den Bogen von der modernen Grundlagenforschung über aktuelle klinisch relevante diagnostische Fragestellungen bis zur gesundheitspolitischen internationalen Entwicklungen im Bereich der Diabetologie zu spannen.

Die Betazelle spielt bei der Entstehung des Typ-1- und des Typ-2-Diabetes eine zentrale Rolle. In einem Übersichtsartikel des diesjährigen Paul-Langerhans-Medaille-Preisträgers der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, Professor Sigurd Lenzen, werden die Mechanismen beschrieben, die zum Untergang bzw. zur Erschöpfung der insulinproduzierenden Zellen führen und innovative Ansätze für zukünftige Interventionsstrategien zur Verhinderung des Betazell-Zerstörungsprozesses aufgezeichnet. Darüber hinaus fasst Professor Tiedge den aktuellsten Stand der Entwicklungen zur Visualisierung der Betazellen zusammen, damit unser immer noch sehr unvollständiges Verständnis der strukturellen Veränderungen dieser für den Diabetes so bedeutenden Zellformationen endlich besser einsehbar werden.

In den letzten Jahren erleben wir einen stetigen Anstieg der Inzidenz des Typ-1-Diabetes. Besonders jüngere Patienten sind davon betroffen, was für sie eine lange Diabetesdauer und daher ein hohes Risiko für Diabetes-bedingte Komplikationen bedeutet. Junge Patienten und ihre Familien sind von Anfang an mit anspruchsvollen Therapieschemata konfrontiert. Mit dem Einsatz moderner Insulintherapien und Technologien kann eine nah normoglykämische Stoffwechsellage bei geringem Hypoglykämierisiko erreicht werden – bei einer guten Lebensqualität. Eine gute und langfristige Therapieadhärenz ist die Voraussetzung für optimale Ergebnisse. Damit setzt sich der Beitrag von Lange et al. auseinander, die sich seit Jahren mit diesem Thema beschäftigen.

Die Fortschritte in der molekular-biologischen Forschung haben unser Verständnis der pathogenetischen Mechanismen der monogenetischen Diabetesformen erweitert. Somit ist heute die Insulintherapie nicht mehr die ausschließliche Therapieform des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter wie Datz et al. beschreiben. Die letztes Jahr auf dem Amerikanischen Diabetes Kongress begonnene kontroverse Diskussion des Stellenwertes der HbA1c-Bestimmung zur Diagnose des Diabetes mellitus wird von den Professoren Joost und Kerner prägnant dargestellt und fortgeführt.

So muss die deutsche Diabetologie in vielen Aspekten im nationalen und internationalen Kontext gesehen werden. In der europäischen Richtlinie zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung wird die Netzwerkbildung von europäischen Referenzzentren gefordert. Hier könnte das europäische SWEET-Projekt zur Entwicklung von Kinderdiabetes-Referenzzentren ein wichtiges Modell darstellen, wie Professor Danne ausführt. Durch diese Vielzahl moderner Therapiemöglichkeiten sind die Anforderungen an ärztliche und beratende Expertise der Behandlungseinrichtungen nicht nur in der Kinderdiabetologie gestiegen und das Entstehen einer Wettbewerbssituation kann letztendlich dem Patienten durchaus zu Gute kommen.

Das breite Spektrum dieser Themen macht deutlich, wie komplex die Fragestellungen rund um den Diabetes nach wie vor sind. Daher ist es wichtig, dass sich diejenigen, die sich vorwiegend mit der Grundlagenforschung befassen, auch mit denen austauschen, die klinische oder Versorgungsforschung betreiben sowie gemeinsam die Praktiker auf den letzten Stand des Wissens bringen – aber gleichzeitig von ihnen auch erfahren, was die wirklichen Erfordernisse bei der Patientenversorgung sind. Dazu dient unsere Jahrestagung in Leipzig.

Θωυµα το διαβητϵω παθος – „Diabetes ist eine rätselvolle Krankheit” schrieb Aretaios von Kappadokien vor 2000 Jahren, was bis heute Gültigkeit besitzt. Viele der Rätsel sind aufgrund der exzellenten diabetologischen Forschung und Entwicklung der letzten 90 Jahre gelöst worden, dennoch sind wir weiterhin aufgefordert, die Perspektiven der Prävention, optimalen Behandlung und Heilung der chronischen Krankheit aufzuzeigen. Mein besonderer Dank gilt allen Autoren, die hierzu wertvollen Beitrag geleistet haben!

Prof. Dr. Olga Kordonouri

Prof. Dr. Olga Kordonouri

Kinderkrankenhaus auf der Bult
Träger: Stiftung Hannoversche Kinderheilanstalt

Janusz-Korczak-Allee 12

30173 Hannover

eMail: kordonouri@hka.de