Gesundheitswesen 2012; 74(6): e42-e51
DOI: 10.1055/s-0031-1280760
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Regionale Konzentration von sozialer Benachteiligung und von Risiken für Lungen- und Darmkrebs: Systematischer Review und Ableitung von Empfehlungen

Regional Concentration of Social Disadvantage and of Risks for Lung Cancer and Colon Cancer: Systematic Review and Recommendations for ResearchL. Kuznetsov1 , A. Mielck1
  • 1Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Neuherberg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. Juli 2011 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Der individuelle Gesundheitszustand wird nicht nur von den individuellen sozialen Merkmalen der Person beeinflusst (Alter, Geschlecht, Einkommen usw.), sondern auch von den Merkmalen der sozialräumlichen Umwelt, in der diese Person lebt. Dies gilt auch für Lungen- und Darmkrebs, zwei in Deutschland besonders häufige Krebsarten. Ein zusammenfassender Überblick über die sozialräumliche Verteilung des Lungen- und Darmkrebsrisikos liegt u. W. im deutschsprachigen Raum noch nicht vor. Er ermöglicht jedoch eine weitergehende Diskussion von Ansätzen zur Erklärung des Erkrankungsrisikos und von möglichen Interventionsmaßnahmen.

Methodik: Lungen- und Darmkrebs wurden ausgewählt, da sie die beiden häufigsten geschlechts-unabhängigen Krebsarten in Deutschland sind. Zur Erstellung dieses Überblicks wurde eine umfassende Literatursuche in der Medline-Datenbank via PubMed durchgeführt. Dabei wurden zwei Arten von sozial-regionalen Unterschieden einbezogen, zum einen nach den sozioökonomischen Merkmalen einer Region (z. B. durchschnittliches Haushaltseinkommen) und zum anderen nach urbanen und ländlichen Räumen. Die ausgewählten Publikationen wurden anschließend detailliert analysiert und zusammenfassend bewertet.

Ergebnisse: Gefunden wurden 17 Publikationen, nur 2 stammen aus dem deutschsprachigen Raum (eine aus Deutschland und eine aus der Schweiz). Die Ergebnisse zu Inzidenz und Mortalität lassen sich so zusammenfassen: Beim Lungenkrebs steigt das Risiko mit abnehmendem sozialen Status der Region deutlich an. Beim Darmkrebsrisiko zeigt sich dagegen keine klare Assoziation mit dem sozialen Status der Region. In einigen Studien werden auch Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Räumen untersucht. Die Ergebnisse zeigen ein besonders hohes Lungenkrebsrisiko in den urbanen Räumen; bezogen auf das Darmkrebsrisiko werden wiederum keine klaren Zusammenhänge gefunden.

Schlussfolgerung: Der Überblick zeigt, dass bereits vielfältige Analysen zu den sozialräumlichen Unterschieden bei Krebsinzidenz und -mortalität vorliegen, und dass diese Zusammenhänge im deutschsprachigen Raum bisher kaum thematisiert wurden. Noch ist weitgehend unklar, warum das Lungenkrebsrisiko in den sozial benachteiligten Regionen besonders hoch ist, sogar nach Kontrolle des individuellen Rauchverhaltens. Als Erklärung bieten sich Risiken wie Luftverschmutzung an. Eine ausgewogene Strategie zur Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit sollte daher nicht nur die Verbesserung des individuellen Gesundheitsverhaltens im Blick haben, sondern auch die Reduzierung dieser regional-spezifischen Belastungen.

Abstract

Objectives: Individual health status is influenced by individual social characteristics (age, gender, income usw.) and by the social characteristics of the regional environment in which the person lives. This is true also for lung cancer and colon cancer, two of the most common cancer sites in Germany. No systematic review about the social and regional distribution of lung cancer and colon cancer has been published in German-speaking countries yet. However, it could allow us to deepen the discussion regarding explanations of cancer risks and potential interventions.

Methods: Lung cancer and colon cancer have been selected because they are the two most common gender-independent cancer sites in Germany. A systematic literature search has been conducted via the Medline database using PubMed. 2 groups of regional differences have been distinguished, first by socio-economic characteristics (e. g., average household income) and second by urban vs. rural characteristics. The publications have then been analysed in a systematic way.

Results: 17 publications could be found, just 2 of them are from a German-speaking country (one each from Germany and Switzerland). The results concerning incidence and mortality can be summarised in the following way: The risks for lung cancer increase with decreasing socio-economic status of the region, but no clear association could be found for colon cancer. Some studies include information on urban-rural differences. They show that the risks for lung cancer are higher in urban as compared to rural areas; for colon cancer, again, no clear associations could be found.

Conclusion: The review shows that some studies have already looked at social and regional differences in lung cancer and colon cancer, and that these associations have hardly been discussed in German-speaking countries as yet. We still do not know why lung cancer risks are especially high in low status regions, even if individual smoking is accounted for. The answer could probably be provided by risks such as air pollution. Therefore, a balanced strategy for reducing health inequalities should not just focus on improving individual health behaviour, but also on reducing the regional risks factors.

Literatur

Korrespondenzadresse

Dr. L. KuznetsovMPH 

Goethestraße 72

80336 München

eMail: laura.kuznetsov@med.uni-muenchen.de