ergopraxis 2011; 4(6): 14
DOI: 10.1055/s-0031-1280900
wissenschaft

Evidenzhierarchien neu definiert – Qualitative und quantitative Studien gleichwertig

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Publikationsdatum:
10. Juni 2011 (online)

 

In der klassischen Evidenzhierarchie stehen qualitative Studien – Fallberichte und Expertenmeinungen – auf der untersten Stufe. Quantitative Studien, also Metaanalysen und randomisiert kontrollierte Studien bilden die Spitze. Das neue Modell der dreidimensionalen Forschungspyramide bietet im Gegensatz dazu einen großen Vorteil: Es berücksichtigt die verschiedenen Forschungsmethoden gleichermaßen. Die Entwickler sind der Ergotherapeut Dr. George Tomlin von der University of Puget Sound in den USA und sein Kollege Prof. Borgetto von der HAWK Hildesheim in Deutschland.

Die beiden Forscher setzten sich mit herkömmlichen Evidenzhierarchien auseinander und kamen zu dem Schluss, dass diese lediglich ein einseitiges Bild wiedergeben, da sie die qualitative Forschung vernachlässigen. Aus Sicht der Wissenschaftler kann qualitative Forschung jedoch die klinische Argumentation maßgeblich unterstützen, indem sie Kontextfaktoren und komplexe Lebenssituationen beleuchtet. Aus diesem Grund haben sie ein neues Modell entwickelt, das verschiedene Forschungsarten gleichwertig behandelt. Die Evidenz-Pyramide besteht aus drei Seiten, von denen sich jeweils eine auf qualitative, experimentelle und Outcomestudien bezieht. Jede Seite folgt einer eigenen Evidenzhierarchie, an deren Spitze sich immer Metastudien bzw. Metaanalysen befinden. Deskriptive Studien wie systematische Reviews bilden die Basis der Pyramide.

Dieses Pyramidenmodell ermöglicht es, verschiedene Forschungsarten als gleichwertig zu betrachten. Es berücksichtigt zudem, dass die Methodenwahl von der Forschungsfrage abhängt. Damit eignet es sich als Rahmenwerk für die Lehre, um den Studenten einen breiteren Zugang zu den Themen „Forschung“, „evidenzbasierte Praxis“ und „Klinisches Reasoning“ zu vermitteln.

akb

AJOT 2011; 65: 189–196