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DOI: 10.1055/s-0031-1281585
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Ophthalmologische Onkologie
Ophthalmological OncologyPublication History
Publication Date:
07 July 2011 (online)

Im Auge findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Gewebe wie in sonst keinem anderen Organ des Körpers, aus denen Tumoren entstehen können. Darüber hinaus sind intraokulare Metastasen oder andere okuläre Symptome wie z. B. karzinomassoziierte Retinopathien klinisch wichtige Symptome eines systemischen Tumorleidens. Im vorliegenden Themenheft wird versucht, eine Übersicht über die intraokulare Manifestation systemischer Tumorerkrankungen zu geben. Schwerpunkte sind dabei intraokulare Metastasen und intraokulare Lymphome, intraokulare Manifestationen genetisch determinierter Tumorerkrankungen wie das von-Hippel-Lindau(vHL)-Syndrom sowie typische paraneoplastische Syndrome mit intraokularer Beteiligung. Intraokulare Metastasen sind nicht selten Erstsymptome eines metastasierenden extraokularen Tumors, wobei in ⅔ aller intraokularen Metastasen ein Mamma-Karzinom der Primärtumor ist. In fortgeschrittenen Stadien metastasierender Tumorerkrankungen werden intraokulare Metastasen nicht selten übersehen oder fehldiagnostiziert, sodass es bei Patienten im Endstadium einer Tumorerkrankung zu einer vermeidbaren Erblindung kommen kann. Intraokulare Lymphome können als Masquerade-Symptome auftreten und mit einer chronischen Uveitis und anderen entzündlichen Erkrankungen verwechselt werden. Diagnose und häufig schwierige Differenzialdiagnose intraokularer Lymphome werden in diesem Beitrag detailliert dargestellt.
Das zweite Schwerpunktthema dieses Themenhefts sind Retinoblastome, die nicht so selten sind wie bisher angenommen. Kivela et al. [1] haben zeigen können, dass unter Berücksichtigung von Geburtenzahl und Bevölkerungsdichte einerseits und der relativen Seltenheit intraokularer pigmentierter Tumoren in Asien und Afrika andererseits Retinoblastome weltweit die häufigsten Tumoren sind. Wie bei nur wenigen anderen Tumoren hat sich die Behandlungsstrategie von Retinoblastomen in den letzten Jahren entscheidend geändert. Es hat fast zwei Jahrzehnte gedauert, bis nachweisbar war, dass die perkutane Strahlentherapie hereditärer Retinoblastome eine erhebliche Zunahme sekundärer nicht okulärer Tumoren im Bestrahlungsfeld zur Folge hat, sodass eine Änderung der bisher weltweit üblichen Behandlungskonzepte notwendig war. Es ist das Verdienst von Brenda Gallie und Linn Murphree, die primäre systemische Polychemotherapie in der Behandlung des Retinoblastoms etabliert zu haben (Übersicht s. [2]). Neuere Entwicklungen wie die intraarterielle Chemotherapie haben allerdings nahezu euphorische Erwartungen geweckt, die wie so viele andere neuen Behandlungsstrategien einer weiteren Überprüfung nicht immer stand halten. Die aktuellen Aspekte dieser und anderer Konzepte der regionalen Chemotherapie des Retinoblastoms werden im vorliegenden Themenheft dargestellt. Gerade die jetzt zunehmend publizierten pathohistologischen Ergebnisse von Augen nach intraarterieller Chemotherapie zeigen, dass neue Therapien immer ergebnisoffen, aber auch kritisch bewertet werden müssen. Carol Shields [3] hat dies in einem lesenswerten Essay so formuliert:
„Before we enter this new era, let’s slowly and meticulously evaluate its potential limitations and local and systemic toxicities in a comprehensive organized fashion. It might be a long journey over many years before the true promise and complications of this technique are realized.”
Im krassen Unterschied zu fast allen anderen pädiatrisch-onkologischen Erkrankungen ist es bisher weltweit nicht gelungen, neue und konventionelle Therapieansätze beim Retinoblastom in randomisierten klinischen Studien zu untersuchen und so evidenzbasiert den besten Therapieansatz zu finden. Gerade die Fortschritte in der pädiatrischen Hämatologie haben gezeigt, dass ein solches Vorgehen die Prognose maligner Erkrankungen nicht nur im Kindesalter entscheidend verbessern kann, sodass diese Strategie auch auf die Therapie des Retinoblastoms übertragen werden muss, um die Diskussion weiter zu versachlichen. Die miserable Prognose von Retinoblastomen in Ländern der Dritten Welt muss Anlass für gemeinsame Anstrengungen sein; auch hier hat Brenda Gallie mit dem „Daisy’s Eye Cancer Fund” (http://www.daisyfund.org/home.html) Vorbildliches geleistet.
Die ophthalmologische Onkologie bleibt ein faszinierendes Fach, in dem in den letzten Jahren große Fortschritte in Bezug auf den Erhalt von Sehvermögen und das Überleben von Patienten insbesondere mit Tumoren des Kindesalters erreicht werden konnten. Wichtige Probleme, wie z. B. die immer noch unveränderte tumorbezogene Mortalität primärer maligner intraokularer Tumoren des Erwachsenenalters, sind jedoch noch ungelöst und werden Gegenstand künftiger Themenhefte sein.
Literatur
- 1 Kivela T. The epidemiological challenge of the most frequent eye cancer: retinoblastoma, an issue of birth and death. Br J Ophthalmol. 2009; 93 1129-1131
- 2 Chan H S, Gallie B L, Munier F L et al. Chemotherapy for retinoblastoma. Ophthalmol Clin North Am. 2005; 18 55-63, viii
- 3 Shields C L, Shields J A. Intra-arterial chemotherapy for retinoblastoma: the beginning of a long journey. Clin Experiment Ophthalmol. 2010; 38 638-643
Prof. Dr. Norbert Bornfeld
Zentrum für Augenheilkunde, Universitätsklinikum
Hufelandstr. 55
45122 Essen
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Prof. Dr. Nikolaos E. Bechrakis
Direktor der Augenklinik, Medizinische Universität Innsbruck
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