Der politische Wandel, der mit dem Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik einherging, und die Folgen des 1. Weltkrieges veränderten die Augenheilkunde im Deutschen Reich nach 1918, wenngleich personell und wissenschafts-thematisch weitgehende Kontinuität bewahrt wurde [1]. Die Auswirkungen der „Machtergreifung“ Adolf Hitlers (1889 – 1945) am 30.1.1933, zu welcher es ohne seine im 1. Weltkrieg erlittene Augenverletzung möglicherweise gar nicht erst gekommen wäre [2], auf die deutsche Ophthalmologie waren ungleich stärker. Sie bestanden vor allem in der Verfolgung und Vertreibung jüdischer Kollegen, in der Unterordnung des Individuums und damit auch des Patienten unter das Wohl des „Volkskörpers“, in dem Versuch, den „genetischen Pool“ des Volkes durch (Zwangs-)Sterilisationen und Euthanasie zu verbessern, sowie schließlich in der Besetzung einflussreicher Positionen „nach Parteibuch“ [3]
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[5]. Nach den heutigen Erkenntnissen muss man davon ausgehen, dass dem NS-Regime seitens der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), ja seitens der Augenärzteschaft insgesamt zumindest bis 1938 weit überwiegend mit Sympathie begegnet wurde [3]
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[7]. Ob und inwieweit sich am Ende der Weimarer Republik (1928 – 1933) auf unserem Fachgebiet Entwicklungen abzeichneten, die 1933 den nahtlosen Übergang von der „demokratischen“ zur „nationalsozialistischen Augenheilkunde“ ermöglichten, soll Gegenstand der folgenden Erörterungen sein.
Literatur
1 Rohrbach JM. Die deutsche Augenheilkunde am Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik (1915–1925). Klin Monatsbl Augenheilkd.
5 Rohrbach JM. Die DOG im „Dritten Reich“ (1933-1945). In: Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (Hrsg.) Visus und Visionen. 150 Jahre DOG (Festschrift). Köln: Biermann; 2007: 33-62
11 Paletschek S. Die permanente Erfindung der Tradition. Die Universität Tübingen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Stuttgart: Franz Steiner; 2001
14 Axenfeld T. Eröffnungsrede. In: Wagenmann A. Bericht über die achtundvierzigste Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg. München: JF Bergmann; 1930: 1-6
16 Hertel E. Eröffnungsrede. In: Wagenmann A. Bericht über die neunundvierzigste Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Leipzig 1932. München: JF Bergmann; 1932: 1-2
17 Wagenmann A. Protokoll über die Mitgliederversammlung. In: Wagenmann A. Bericht über die neunundvierzigste Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Leipzig 1932. München: JF Bergmann; 1932: 557-568
19 Rohrbach JM, Szurman P, Thanos S. Zum 130. Geburtstag und zum 65. Todestag: Der Schriftleiter der „Monatsblätter“, Aurel von Szily, und sein unveröffentlichtes Lebenswerk über die kongenitalen Papillenanomalien. Klin Monatsbl Augenheilkd 2010; 227: 659-662
23 Wagenmann A. Bericht über die sechsundvierzigste Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg 1927. München: JF Bergmann; 1927: 472
24 Esser A. Geschichte der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft. Zur ersten Säkularfeier im Auftrage der Gesellschaft geschrieben. München: JF Bergmann; 1957
25 Wagenmann A. Protokoll der Mitgliederversammlung am 13. Juni 1930. In: Wagenmann A. Bericht über die achtundvierzigste Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg 1930. München: JF Bergmann; 1930: 385-393
26 Wagenmann A. Offene Korrespondenz. Rückblick auf den 45. Kongress der Französischen Ophthalmologischen Gesellschaft vom 18.–21. Juli 1932 und der damit verbundenen Feier des 50-jährigen Bestehens der Gesellschaft. Klin Monatsbl Augenheilkd 1932; 89: 246-248
29 Fleischer B. Schließt die Behandlungsmöglichkeit eines Erbleidens die Anwendung des Gesetzes zur Verhütung erkranken Nachwuchses aus?. In: Engelking E. Bericht über die zweiundfünfzigste Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg 1938. München: JF Bergmann; 1938: 203-209
30 Clausen W. Die Aufgaben des Augenarztes bei der Verhütung erbkranken Nachwuchses. In: Wagenmann A. Bericht über die einundfünfzigste Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg 1936. München: JF Bergmann; 1936: 91-102
35 Kranz HW. Über eine seltene angeborene Mißbildung der Haut mit doppelseitigem symmetrischen Lipodermoid der Conjunctiva bulbi. Graefes Arch Ophthalmol 1927; 118: 167-174
36 Bräuninger W. „Schreiben Sie Ihre Briefe mit der Schreibmaschine!“ Adolf Hitlers Kampf gegen Albrecht von Graefe. In: Bräuninger W. Hitlers Kontrahenten in der NSDAP 1921-1945. München: Herbig; 2004: 38-60
38 Axenfeld T. Festrede zum 100. Geburtstag Albrecht von Graefes und zur Übergabe der Graefe-Medaille an Allvar Gullstrand. In: Wagenmann A. Bericht über die siebenundvierzigste Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg 1928. München: JF Bergmann; 1929: 3-25
41 Hitler A. Antwort auf die Reichskanzler-Rede vom 13. Oktober 1931 (Offener Brief vom 14. Oktober 1931). In: Hitlers Auseinandersetzung mit Brüning. München: Franz Eher Nachf; 1932: 17-40
44 Falk RJ, Gross WL, Guillevin L et al. Granulomatosis with polyangiitis (Wegener’s): An alternative name for Wegener’s granulomatosis. Arthritis&Rheumatism 2011; 63: 863-864
48 Grzybowski A, Rohrbach JM. Sollten wir auf das Eponym „Wegener’sche Granulomatose“ verzichten? Ein historischer Exkurs. Klin Monatsbl Augenheilkd 2011; 228: 641-643