Gesundheitswesen 2011; 73 - A275
DOI: 10.1055/s-0031-1283535

Neuro-Enhancement im Studium – Ein Problem?

K Lohmann 1, B Gusy 1, F Wörfel 1
  • 1Freie Universität Berlin, Berlin

Neuro-Enhancement bei Studierenden – im Sinne der geistigen Leistungssteigerung mithilfe verschreibungspflichtiger Medikamente – ist seit einiger Zeit im Fokus medialer und wissenschaftlicher Aufmerksamkeit. Bisher gibt es keine Daten dazu, wie sich dieses Verhalten quantitativ (Anteil der Anwender und Häufigkeit der Anwendung) sowie qualitativ (Motive für die Einnahme) in den Medikamentenkonsum Studierender einordnet. Methode: Im Rahmen einer periodischen Online-Erhebung zur Gesundheit im Studium wurden Studierende der Freien Universität Berlin zum Konsum verschiedener Medikamentengruppen (Schmerzmittel, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Antidepressiva, Beta-Blocker, Psychostimulanzien) befragt. Darüber hinaus wurden Indikatoren einer medikamentenorientierten Lebensbewältigung erfasst und ein Screening-Instrument für einen möglichen Medikamentenmissbrauch eingesetzt. 1 334 Studierende beantworteten diesen Teil des Fragebogens. Ergebnisse: Psychostimulanzien, die als Neuro-Enhancer zur geistigen Leistungssteigerung eingenommen werden können, wurden nur von 1,1% der Studierenden konsumiert. Als Gründe für den Konsum von Psychostimulanzien wurde ADS/ADHS von 3 Personen und Leistungsdruck/-anforderungen von 7 Personen genannt. Insgesamt ist der Medikamentenkonsum in der Befragtengruppe relativ hoch. Gut zwei Drittel der Befragten gaben an, im letzten Monat Medikamente aus mindestens einer der fünf Substanzgruppen eingenommen zu haben. Der Schmerzmittelkonsum hat hier den größten Anteil (66,7%). Die Hälfte aller Befragten (50,3%) gab an, Medikamente einzunehmen, weil sie es sich nicht leisten können krank zu sein. Anzeichen für einen möglichen Medikamentenmissbrauch zeigten 13,6% der Studierenden. Diskussion/Schlussfolgerungen: Verglichen mit dem Medikamentenkonsum insgesamt ist der Konsum von Psychostimulanzien gering. Eine leistungsorientierte Einnahme von Medikamenten ist nicht nur bei den Anwendern von Psychostimulanzien zu beobachten. Insgesamt ist Leistungserhalt ein häufiges Motiv für Medikamentenkonsum. Die Daten der hier vorgestellten Studie können die empirische Basis einer Problembestimmung bilden, wie sie im Public-Health-Action-Cycle vorgesehen ist. Entsprechend sollte bei der Planung von Interventionen der Fokus auf den Schmerzmittelkonsum gerichtet werden.