Gesundheitswesen 2011; 73 - A24
DOI: 10.1055/s-0031-1283631

Methodische Herausforderungen der Evaluation der Integrierten Versorgung „Gesundes Kinzigtal“

A Siegel 1, M Roth 2, K Gaiser 3, G Daul 3, Y Stützle 4, T Maack 5
  • 1Universität Freiburg, Freiburg
  • 2Gesundes Kinzigtal GmbH, Haslach
  • 3AOK Baden-Württemberg, Stuttgart
  • 4LKK Baden-Württemberg, Stuttgart
  • 5Medizinisches Qualitätsnetz – Ärzteinitiative Kinzigtal e.V., Haslach

Einleitung/Hintergrund: Die Integrierte Versorgung Gesundes Kinzigtal (IVGK) ist eines der wenigen integrierten Vollversorgungssysteme in Deutschland (Hermann et al. 2006, Hildebrandt et al. 2010). Ziel ist es, durch eine zielgenaue Prävention und die Optimierung inter-sektoraler Schnittstellen im Versorgungssystem die Morbidität zu senken und die Versorgungsqualität zu erhöhen. Die Projektträger Gesundes Kinzigtal GmbH, AOK und LKK Baden-Württemberg haben eine umfangreiche Evaluation der IVGK in Auftrag gegeben. Die Evaluation ist modular aufgebaut und wird von der Abteilung für Medizinische Soziologie an der Universität Freiburg koordiniert. In diesem Beitrag wird zunächst ein Überblick über die laufenden Evaluationsprojekte und die methodischen Probleme gegeben, die bei der Evaluation regionaler Versorgungssysteme typischerweise auftreten (Siegel et al. 2011). Anschließend wird skizziert, wie diese Probleme im Fall der IVGK-Evaluation gelöst wurden. Methoden, Ergebnisse und Diskussion: Ein zentrales Problem besteht in der anfangs geringen Größe der Interventionspopulation, was eine Analyse auf Basis epidemiologischer Maßzahlen (z.B. Inzidenzen) erschwert. Zudem können wiederholte Befragungen zu einer „Überforschung“ der Interventionspopulation und damit zu abnehmender Beteiligung führen. Dem Problem der geringen Größe der Interventionspopulation kann oft mit einer Vollerhebung begegnet werden; um das Problem der Überforschung zu vermeiden, ist der Einsatz möglichst kurzer Erhebungsinstrumente, die zeitversetzte Koordination verschiedener Primärdatenerhebungen und die Nutzung von Sekundärdaten (z.B. GKV-Routinedaten) zu empfehlen. Ein weiteres Problem bei der Evaluation kleinräumiger Versorgungssysteme besteht in der Zuordnung und Messung der Einzeleffekte von Gesundheits- bzw. Krankheitsmanagementprogrammen: Da ein relativ großer Teil der Versicherten an mehr als nur einem Programm teilnimmt, ist die Interventionsbedingung bei der Evaluation einzelner Programme durch multiple Programmeffekte kontaminiert, was bei der Auswertung und ggf. der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden muss. Schließlich lassen sich gerade bei der Evaluation regionaler Versorgungssysteme oft keine randomisierten Studiendesigns umsetzen oder durchsetzen. Dies führt dazu, dass die Evaluationsergebnisse eine (im Vergleich zu Ergebnissen aus randomisierten Studien) geringere Beweiskraft haben.

Literatur:

- Hermann C, Hildebrandt H, Richter-Reichhelm M, Schwartz FW, Witzenrath W (2006): Das Modell „Gesundes Kinzigtal“. Managementgesellschaft organisiert Integrierte Versorgung einer definierten Population auf Basis eines Einsparcontractings. In: Gesundheits- und Sozialpolitik 2006; 5–6: 11–29.– Hildebrandt H, Hermann C, Knittel R, Richter-Reichhelm M, Siegel A, Witzenrath W (2010): Gesundes Kinzigtal Integrated Care: Improving Population Health by a Shared Health Gain Approach and a Shared Savings Contract. In: International Journal of Integrated Care 10 (April-June): 1–15– Siegel A, Stößel U, Schubert I, Erler A (2011): Probleme der Evaluation einer regionalen integrierten Vollversorgung am Beispiel „Gesundes Kinzigtal“. In: ZEFQ 105, im Druck (http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2010.12.026)