Gesundheitswesen 2011; 73 - A109
DOI: 10.1055/s-0031-1283674

Morbiditätsbasierte Risikoadjustierung im deutschen kollektiven ambulanten Vergütungssystem für Vertragsärzte

A Walendzik 1, J Wasem 1, M Trottmann 2, R Leonhardt 3
  • 1Universität Duisburg-Essen, Essen
  • 2Universität Zürich, Zürich
  • 3Versisk GmbH, München

Einleitung/Hintergrund: Die Entwicklung optimaler Vergütungssysteme für medizinische Leistungserbringer ist eine wichtige Herausforderung für die Gesundheitspolitik. Dies gilt auch für die ambulante ärztliche Vergütung. Einfache Einzelleistungsvergütungssysteme bergen die Gefahr, arzt-induzierte Nachfrageausdehnung zu begünstigen. Gegenstrategien in Vergütungssystemen sind pauschalierte Zahlungen und/oder Budgetierungen. Jedoch können pauschalierte Zahlungen Unterversorgung belohnen und zu Risikoselektion durch die Leistungserbringer führen. Auch einfache Budgetierungssysteme setzen Leistungserbringer mit Patienten von höherer Morbidität beträchtlichen Risiken aus. Morbiditätsorientierte Risikoadjustierung ist eine Erfolg versprechende Strategie, solchen Effekten entgegenzuwirken. Jedoch steckt dieses Systemelement in der kollektiven ambulanten ärztlichen Vergütung in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Daten und Methoden: Die vorgestellte Studie analysiert zunächst das aktuelle kollektive ambulante Vergütungssystem für Vertragsärzte der Gesetzlichen Krankenversicherung unter dem Aspekt der Morbiditätsadjustierung. Unter Nutzung von diagnostischen und Arzneimittelinformationen etwa einer halben Million Versicherten wird sodann ein Schätzmodell entwickelt, das in der Lage ist, patientenspezifische Ausgaben für die ambulante Versorgung durch verschiedene Leistungsträger zu prognostizieren. Mit diesem Modell lässt sich die individuelle Versorgungslast additiv auf Arztgruppen, wie z.B. Haus- und Fachärzte, aufteilen. Aufbauend darauf werden Vorschläge entwickelt, wie über die Nutzung dieses Modells und zusätzlicher Elemente von Risikoadjustierung die Verteilung der Gesamtvergütung versorgungsgerechter erfolgen kann und Anreize für eine effizientere Mittelverwendung in der ambulanten Versorgung gesetzt werden können. Ergebnisse: Das in der Studie entwickelte Schätzmodell ist anwendbar bei der Aufteilung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung auf verschiedene Arztgruppen. Durch den Einbau von Elementen von Risikoadjustierung lässt sich das gegenwärtige deutsche ambulante ärztliche Vergütungssystem in Richtung größerer Versorgungsgerechtigkeit und verbesserter Anreizgestaltung zu effizienter Versorgung verändern. Diskussion/Schlussfolgerungen: Grenzen der sinnvollen Anwendbarkeit von Morbiditätsadjustierung in der ambulanten Vergütung der deutschen Vertragsärzte können sich einerseits aus gesetzlichen Beschränkungen, andererseits aber auch aus der Gestaltung des zugrunde liegenden einheitlichen Bewertungsmaßstabs ergeben.