Transfusionsmedizin 2012; 2(1): 15-16
DOI: 10.1055/s-0031-1283931
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hämotherapie

Hemotherapy
H. Klüter
1   Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg − Hessen gemeinnützige GmbH
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Publication Date:
17 February 2012 (online)

Verehrte Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor Ihnen liegt das erste Heft des ersten regulären Jahrgangs der Zeitschrift Transfusionsmedizin. Die vielfältigen Rückmeldungen nach der Publikation der ersten Ausgabe im Herbst 2011 haben das Editorial Board darin bestätigt, dass es einen Bedarf an einer deutschsprachigen Fortbildungszeitschrift neben englischsprachigen wissenschaftlichen Journals in unserem Fach gibt. Die Transfusionsmedizin stellt sich als ein im klinischen Alltag interdisziplinäres Fach dar. Sie ist deshalb für eine ganze Reihe von medizinischen Fachdisziplinen von täglicher Bedeutung und muss regelhafter Bestandteil der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung sein. Entlang der vier klinischen Schnittstellen der Transfusionsmedizin Immunhämatologie – Hämotherapie – Immungenetik – Immuntherapie werden wir in der Transfusionsmedizin in den viertel-jährlichen Ausgaben thematische Schwerpunkte bilden. Wir beginnen die Folge mit dem Schwerpunkt Hämotherapie.

In der Hämotherapie kommt den in den Blutspendeeinrichtungen und Blutbanken tätigen Ärztinnen und Ärzten die besondere Aufgabe zu, ihre klinischen Kooperationspartner in der Behandlung von Patienten zu unterstützen. Dies geschieht auf vielfältige Weise, rund um die Uhr und rund ums Jahr. In dieser klinischen Zusammenarbeit stehen diagnostische, wie auch therapeutische Maßnahmen im Mittelpunkt mit dem Ziel, der bestmöglichen Versorgung unserer Patienten. Die eingesetzten Blutkomponenten wirken dabei einerseits im Sinne der Krankheitsentität kausal, z. B. wenn es um die Gabe von Gerinnungsfaktoren oder Immunglobulinen bei Defekterkrankungen geht, oder oftmals stabilisierend und lebenserhaltend durch z. B. die Substitution von Blutkomponenten im Rahmen einer intensivmedizinischen Behandlung.

Die enge Zusammenarbeit der hierdurch verbundenen Fachdisziplinen hat die moderne intensivmedizinische Behandlung in der Medizin erst möglich gemacht. Dies zeigt sich in einem fortschreitend hohen Bedarf an Blutpräparaten und daraus abgeleiteter Labordiagnostik nicht nur in der operativen und intensivmedizinischen Notfallversorgung, sondern auch auf anderen Feldern, wie in der Organtransplantation, der Onkologie und in der Behandlung von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Blutes oder des Immunsystems.

Zu dieser umfänglichen Versorgung tragen die transfusionsmedizinischen Einrichtungen mit ihren jährlich Millionen Blutspendern, Hunderttausenden von Apheresespendern und mehreren Tausend Stammzellspendern bei. Die freiwillige und unentgeltliche Blutspende, die den für den therapeutischen Einsatz benötigten Blutpräparaten zugrunde liegt, verpflichtet Ärzte aller Fachrichtungen zu einem rationalen, ökonomischen und möglichst schonenden Umgang mit der Ressource Blut, auch unter dem Gesichtspunkt des demografischen Wandels, den wir zukünftig mit Beiträgen besonders beleuchten werden. Wir streben an, die vielfältigen Aspekte einer rationalen Hämotherapie für die Kolleginnen und Kollegen in der Aus- und Weiterbildung darzulegen und durch das besondere Format der CME-Publikation in der Fortbildung zu berücksichtigen.

Der CME-Beitrag von Pschowski et al. in dieser Ausgabe beschäftigt sich mit modernen Transfusionsstrategien in der interdisziplinären Behandlung von Patienten während eines operativen Eingriffes oder einer intensivmedizinischen Behandlung. Das pathophysiologische Verständnis der Hämostase ist dabei eine Grundvoraussetzung für das Erkennen eines Blutungsübels, für den zielgerichteten Einsatz der Gerinnungsdiagnostik und für die Therapie mit Blutkomponenten und Gerinnungsfaktoren. Die von den Autoren dargelegten allgemeinen Therapiestrategien basieren auf einer optimalen präoperativen Anamnese und Vorbereitung des Patienten und der vorausschauenden Bereitstellung von Blutkomponenten, einer aktiven interdisziplinären Zusammenarbeit als Grundlage einer suffizienten Blutstillung, der frühzeitigen Basistherapie zum Erhalt der Gerinnungsfunktionen und einer eventuellen zeitnahen Therapie zur Aufrechterhaltung der Hämodynamik und zur Vermeidung von Schocksituationen. Es wird deutlich, wie das intensivmedizinische Patientenmanagement vom Zusammenspiel verschiedener Akteure abhängt. Diese Zusammenarbeit funktioniert dort am besten, wo gegenseitiges Verständnis für die Spezifika des jeweiligen Handelns besteht.

Eine bewährte und Leitlinien-konforme Methode Fremdbluttransfusionen einzusparen ist die maschinelle Autotransfusion (MAT). Dieser vermeintlich ältesten Form der Eigenblutübertragung widmet sich der Beitrag von Bender und Zimmermann. Gerade bei Operationen mit einem hohen, zeitlich begrenzten Blutverlust eignen sich die modernen MAT-Verfahren. Sie basieren auf einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Operateur und Anästhesisten. Unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich der Einordnung der MAT im Hinblick auf das Arzneimittelgesetz. Während das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Rückgewinnung des perioperativ anfallenden Wundblutes unter den Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) stellt und damit die Notwendigkeit einer Herstellungserlaubnis sieht, ordnen demgegenüber zum Teil die Arzneimittelbehörden der Länder das Verfahren nicht als Arzneimittelherstellung, sondern als Teil des ärztlichen Heileingriffes ein. Den hierdurch entstehenden Konsequenzen und Konflikten für die klinischen Einrichtungen widmet sich der Beitrag in der Rubrik Recht.

Ceterum censeo…, man kann manches gar nicht oft genug wiederholen! Der im klinischen Alltag letzten Möglichkeit, eine schwerwiegende Transfusionskomplikation zu vermeiden widmet sich der Praxistipp. Das Wissen um die Bedeutung und Interpretation des Bedside-Tests ist Pflicht für alle in der Hämotherapie aktiven Ärztinnen und Ärzte, und sie sollten diesen regelmäßig praktizieren. Werden bei der Durchführung Fehler gemacht, müssen diese rechtzeitig erkannt, verstanden und für die Zukunft abgestellt werden! Der Sachverhalt sollte in keiner Weiterbildung in der Hämotherapie an unseren Kliniken fehlen.

In einer aktuellen Übersicht legen Fekete et al. klinische Therapiekonzepte für die Behandlung mit Mesenchymalen Stammzellen (MSC) dar. Diese fibroblastenähnlichen Zellen sind vielversprechende Kandidaten sowohl für die Behandlung von Gewebedefekten, wie auch für immunmodulierende Therapien. Neben ihrer Gewinnung aus Knochenmark sind auch andere Quellen, wie z. B. Nabelschnurblut oder Fettgewebe beschrieben. Gerade die Gewinnung aus Fettgewebe erscheint unter dem Gesichtspunkt eines schonenden Eingriffs eine vielversprechende Option, um ausreichend Zellen für den therapeutischen Einsatz zu gewinnen. Die über die Jahrzehnte erworbene Kompetenz der transfusionsmedizinischen Einrichten auf dem Gebiet der AMG-konformen Gewinnung und Aufbereitung von Blutzellen und Stammzellen ist im Hinblick auf sowohl autologe als auch allogene Behandlungskonzepte für die anstehenden klinischen Untersuchungen besonders willkommen. Erste Erfahrungen aus klinischen Studien mit allogenen MSC für die Behandlung der Graft-versus-Host-Erkrankung liegen bereits vor. Auch kombinierte Therapieverfahren, wie der Einsatz von autologen MSC für die Konditionierung von Knochen- oder künstlichen Gewebeersatzmaterialien im Sinne einer individualisierten Medizin, sind möglich.

Eine Fortbildungszeitschrift lebt vom kollegialen Wissensaustausch. Einen besonderen Stellenwert nehmen hierbei die Kasuistiken ein. In dieser Ausgabe berichten Mayer und Salama über einen komplexen klinischen Fall eines Patienten mit autoimmunhämolytischer Anämie und die sich daraus ableitenden Therapiekomplikationen. Die Herausgeber würden sich sehr freuen, wenn möglichst viele Kollegen aktuelle Fallberichte für eine Veröffentlichung in dieser Zeitschrift einreichten. Der Erfahrungsaustausch mittels solcher Publikationen ist von hohem Wert, sowohl für die tägliche Praxis, wie auch für die Weiterbildung unserer Assistenten. Gerne stehen Ihnen die Herausgeber bei der Aufbereitung klinischer Fälle unterstützend zur Seite.

Stellvertretend für alle Co-Editoren danke ich Ihnen für Ihre bisherige positive Resonanz auf diese Zeitschrift und würde mich auch im Namen der Herausgeber freuen, wenn dieses Heft auf großes Interesse aller Mitwirkenden in der Hämotherapie stößt. Wir freuen uns über jede kritisch-konstruktive Rückmeldung.

Univ.-Prof. Dr. med. Harald Klüter, Mannheim

Februar 2012