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DOI: 10.1055/s-0031-1291203
Gender-Aspekte rheumatischer Erkrankungen
Gender Aspects of Rheumatic DiseasesPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
13. Dezember 2011 (online)



Gender-Medizin ist ein junges Forschungsgebiet, das geschlechtsspezifische Einflussfaktoren auf die Entstehung von Krankheiten, ihren Verlauf aber auch auf Diagnostik und Therapie untersucht. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Epidemiologie, im Phänotyp und bei der Prognose, bei der Auswahl der Pharmakotherapie und beim Ansprechen auf die Therapie sind bei verschiedenen rheumatischen Erkrankungen bekannt. Männer und Frauen zeigen ein unterschiedliches Verhalten beim Umgang mit ihrer Krankheit. Diese Differenzen sind nicht nur biologisch bedingt, sondern beruhen auch auf sozialen, gesellschaftlichen, psychologischen und kulturellen Faktoren. Die geschlechterspezifische Forschung nahm ihren Anfang in der Kardiologie. Sie kann die medizinische Versorgung sowohl bei Frauen als auch bei Männern verbessern. Die Rheumatologie hat diesbezüglich einen Nachholbedarf.
In diesem Heft werden die geschlechtsspezifischen Aspekte der wichtigsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen dargestellt. Damit wird erstmalig in der deutschen Rheumatologie aus klinischer Sicht ein zusammenfassender Beitrag zur Gender-Debatte geleistet.
Dörte Huscher und Mitarbeiterinnen weisen an Hand der Daten der Kerndokumentation der deutschen Rheumazentren und Daten der internationalen Literatur nach, dass bei der rheumatoiden Arthritis (RA) Frauen eine deutlich größere Krankheitslast als Männer aufweisen, gemessen mit der Schmerzangabe, der Krankheitsaktivität und einer begleitenden Fibromyalgie-Symptomatik einschließlich Fatigue. Sie haben weiterhin einen deutlich schlechteren Funktionsstatus als männliche RA-Patienten. Diese Differenz verstärkt sich noch im weiteren Krankheitsverlauf. Männer erreichen rascher eine Remission als Frauen. Die Forderung der Autorinnen, bei der Bewertung von Scores auch das Geschlecht zu berücksichtigen, ist absolut gerechtfertigt und erfordert weitere Studien.
Uta Kiltz und Jürgen Braun beleuchten Gender-Aspekte bei Patienten mit einer Spondylitis ankylosans. Frauen erkranken häufiger als früher angenommen. Ihr Erkrankungsbeginn liegt im Durchschnitt später als bei den Männern. Sie zeigen häufiger extraspinale Manifestationen, häufiger starke Schmerzen und Müdigkeit, während beim männlichen Geschlecht mehr strukturelle Schäden zu beobachten sind. Mehr Männer als Frauen sind vorzeitig berentet.
Gabriela Riemekasten verweist auf die Dominanz der Frauen bei systemischer Sklerose. Die Diagnose wird hingegen häufig später gestellt als bei Männern. Im klinischen Verlauf gibt es nur geringe Unterschiede. Einzig digitale Ulzerationen und eine Verringerung der kardialen Ejektionsfraktion werden bei Männern häufiger nachgewiesen. Funktionelle Beeinträchtigungen sind bei Frauen größer.
Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) gibt es nach den Studien von Rebecca Fischer-Betz und Mitarbeitern viele kontroverse Aussagen in Bezug auf die Unterschiede im klinischen Bild bei beiden Geschlechtern. Das Raynaud-Syndrom und eine Arthritis sind möglicherweise bei Frauen häufiger, eine Serositis und Nierenbeteiligung bei Männern. Frauen scheinen auch eine höhere Schubhäufigkeit zu haben. Als Ursachen der weiblichen Dominanz werden neben hormonellen Unterschieden sehr wahrscheinlich auch weitere, z. B. X-chromosomal abhängige genetische Faktoren diskutiert.
Eva Reinhold-Keller weist neben der bekannten Präferenz der Frauen bei Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica (PMR) auf Unterschiede im Krankheitsverlauf der PMR hin. Frauen zeigen eine längere Krankheitsdauer und häufiger Rezidive. Sie benötigen eine höhere kumulative Prednisolon-Dosis als Männer. Bei den ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) hat sich das Gesamt-Outcome in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Es besteht eine vergleichbare Mortalität bei jüngeren AAV-Patientinnen mit der Normalbevölkerung, Männer weisen nach wie vor eine Übersterblichkeit auf. Jüngere Frauen hingegen haben ein fast 3-fach höheres Risiko für den Verlust des Arbeitsplatzes als Männer.
Die dargestellten Gender-Unterschiede in der Rheumatologie erfordern dringend weitere Studien. Den Herausgebern der Aktuellen Rheumatologie sei gedankt, dass sie sich für die Thematik interessiert haben und den Autorinnen für ihre Bereitschaft zur Erstellung der Manuskripte. Es bleibt die Hoffnung, dass die Gender-Aspekte auch in der Rheumatologie zukünftig größeres Interesse finden.