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DOI: 10.1055/s-0031-1291890
37. EBMT-Jahreskongress – Auf neuen Wegen
Publication History
Publication Date:
23 September 2011 (online)
Vom 3.–6. April 2011 fand der 37. Jahreskongress der EBMT in Paris statt. Schwerpunkte waren die aktuelle Rolle der autologen Stammzelltransplantation bei hämatopoetischen Erkrankungen, die Bedeutung der Stammzellquelle für die hämatopoetische Stammzelltransplantation und die Entwicklung neuer Wege bei zielgerichteten Zelltherapien.
Der "European Group for Blood and Marrow Transplantation" (EBMT) gehören mehr als 530 Stammzelltransplantationszentren in 57 Ländern an und im Register sind Daten zu mehr als 377 000 autologen und allogenen Stammzelltransplantationen erfasst. Ziel der EBMT ist die Optimierung der Stammzelltransplantation und Zelltherapie, die Entwicklung neuer Therapieverfahren und die Untersuchung biologischer und pathophysiologischer Fragen im Kontext dieser Therapien.
Im Vergleich mit anderen Stammzellquellen für die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (Knochenmark, mobilisiertes peripheres Blut) wurde für Nabelschnurblut in der Vergangenheit eine verzögerte hämatopoetische Rekonstitution und ein höheres Risiko eines Transplantatversagens beschrieben. Mehrere Strategien zur Überwindung dieser Probleme wurden vorgestellt. So führte die direkte intraossäre Gabe der Nabelschnurblutstammzellen durch Punktion in den Beckenkamm im Vergleich mit einer systemischen Behandlung zu einer besseren hämatopoetischen Rekonstitution – insbesondere auch der Thrombozyten – weniger akuter Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (GvHD) und einer geringeren Nichtrezidiv-Mortalität (Rocha et al., O115). Auch die Gabe von 2 Nabelschnurbluttransplantaten führte zu einer deutlichen Besserung der hämatopoetischen Rekonstitution. Sowohl für die Geschwindigkeit der hämatopoetischen Rekonstitution als auch das Gesamtüberleben nach Nabelschnurbluttransplantation ist der Zellgehalt im Nabelschnurpräparat ein kritischer Faktor (Einzel-Nabelschnurbluttransplantation > 4,4 x 107 kernhaltige Zellen / kg KG bzw. > 105 CD34-positive Zellen / kg KG; Doppel-Nabelschnurbluttransplantationen > 1,2 x 105 CD34-Zellen / kg KG; Cunha et al., O161; Michallet, O162). Schließlich wurde gezeigt, dass auch bei Nabelschnurbluttransplantationen eine über die Merkmale HLA-A, -B und DRB1 hinausgehende Transplantat/Empfänger-Übereinstimmung und ein zusätzliches Matching für nicht vererbte mütterliche Antigene (NIMA) von Bedeutung sind (Eapen et al., O136).
Zu den vielversprechend Projekten zielgerichteter Zelltherapie gehört der Transfer von Genen eines T-Zell-Rezeptors, der spezifisch für das Leukämie-Antigen Aurora-A-Kinase ist. Er führt zu einer hochspezifischen Immunreaktion sowohl von zytotoxischen CD8-positiven T-Lymphozyten als auch von CD4-positiven Th1-Helferzellen. Diese attackieren Aurora-A-Kinase-positive Leukämiezellen im Tiermodell, verschonen aber die normale Hämatopoese (Fujiwara et al., 91). Durch Transfer von viralen Genen mittels chimärer Vektoren in Monozyten und lymphoblastoide Zelllinien konnten ex vivo Zielzellen generiert werden, welche Lymphozyten-Linien des Spenders mit hoher Virusspezifität gegen CMV, Adenoviren oder EBV ermöglichen. Bei Patienten mit schwerer Virusinfektion nach allogener Stammzelltransplantation wurde eine effiziente Elimination der Viren beobachtet, ohne dass es zu einer GvHD-Reaktion kam. Die Methode erlaubt auch die Generierung von T-Zelllinien gegen multiple Viren aus Nabelschnurblut (Bollard et al., O113). Bereits die Infusion einer geringen Zahl dieser T-Lymphozyten verbesserte die virusspezifische Immunität deutlich und rasch (Bollard et al., O118).
Auch die Therapie mit hämatopoetischen Stammzellen, anderen knochenmarkabgeleiteten Zellen und spezifischen Immuntherapeutika entwickelt sich kontinuierlich weiter. 2009 wurden von den EBMT-Zentren 12 400 allogene und mehr als 18 900 autologe Stammzelltransplantationen an die EBMT gemeldet und auch inhaltlich gibt es kontinuierliche Verbesserungen der Transplantation, wie
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Optimierung der Spenderauswahl,
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Verbesserung der Transplantate durch Ex-vivo-Manipulationen und
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Behandlung transplantationsassoziierter Komplikationen.
Trend bei der Entwicklung von Zelltherapeutika ist es, die Spezifität weiter zu erhöhen, sei es durch Immunzellen gegen tumor- / leukämieassoziierte Antigene, sei es durch Immunzellen mit Spezifität gegen transplantationsassoziierte Infektionen. Das Feld wird komplettiert durch Weiterentwicklung von mesenchymalen und endothelialen Progenitorzellen mit dem Potential zur regenerativen Therapie weit über die Hämatopoese hinaus.
Prof. Dr. Hubert Schrezenmeier, Ulm
Aus aktuellem Anlass spielte auch die Auswirkung von Strahlenexposition auf die Hämatopoese und andere Gewebe und die Möglichkeit der therapeutischen Intervention durch hämatopoetische Stammzelltransplantation oder Gabe von mesenchymalen Stammzellen eine große Rolle. Die EBMT hatte schon vor einigen Jahren das "Nuclear Accident Committee" eingerichtet, das Empfehlungen zu Diagnostik, Schweregrad-Einteilung und therapeutischen Maßnahmen bei akzidentieller Strahlenexposition erarbeitet hat. Beim Kongress wurde deutlich, dass insbesondere eine exakte Klassifikation der biologischen Auswirkung eine gute Aussage zur Prognose ermöglicht. Aus klinischen Anwendungen (cave: sehr kleine Patientenzahl) und Tierexperimenten gibt es Hinweise, dass die Gabe mesenchymaler Stammzellen die Heilung strahleninduzierter kutaner Wunden beschleunigt und auch auf andere Organsysteme, insbesondere die Hämatopoese, einen protektiven und regenerationsbeschleunigenden Effekt hat.