Rofo 2011; 40(09): 787
DOI: 10.1055/s-0031-1291907
Brennpunkt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

MRT bei Major Depression – Spielen Genvarianten von Neuropeptid Y eine Rolle?

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Publication Date:
26 September 2011 (online)

 

Obwohl die generellen neuronalen Muster der Emotions- und Stressverarbeitung relativ gut erforscht sind, ist das Wissen um individuelle Variationen eher gering. Genetische Varianten von Neuropeptid Y (NPY) wurden kürzlich als mögliche Ursache individueller Emotionsunterschiede identifiziert. B. J. Mickey et al. sind dem nun nachgegangen.
Arch Gen Psychiatry 2011; 68: 158–166

93 gesunde erwachsene Probanden mit einem Durchschnittsalter von 29 Jahren unterzogen sich einer funktionellen MRT (fMRT) des Gehirns. Von 70 dieser Teilnehmer lagen Genotypisierungen bezüglich NPY vor. Während der fMRT bekamen die Teilnehmer emotional unterschiedlich besetzte Wörter (negativ, neutral, positiv) präsentiert, die sie stumm lesen sollten. Anhand der Reaktionen wurde das Gehirn im Hinblick auf die emotionale Aktivierung kartografiert. 96 Probanden im Durchschnittsalter von 25 Jahren unterzogen sich zudem einer Schmerz-Stress-Belastung, 51 von ihnen auch einem fMRT. Jeder Teilnehmer erhielt eine individuell titrierte Infusion mit hypertoner Kochsalzlösung in den M. masseter, sodass er für ca. 20min Schmerzen von etwa 40% der maximal erträglichen Intensität ertrug. Die affektive Erfahrung dokumentierten die Probanden in einem Fragebogen. Außerdem wurden 44 Patienten mit Major Depression und 113 gesunde Kontrollpersonen bezüglich NPY genotypisiert. Bei den gesunden Probanden zeigte sich im fMRT, dass negativ besetzte Wörter den medialen präfrontalen Kortex aktivierten. Diese Aktivierung war invers mit der durch den Genotyp bestimmten NPY-Expression korreliert. Die Analyse des gesamten Gehirns bezüglich der Reaktion auf negativ besetzte Wörter zeigte, dass der rostrale anteriore cinguläre Kortex in der Gruppe mit niedriger NPY-Expression aktiviert und in der Gruppe mit hoher NPY-Expression deaktiviert wurde. Während der Stress-Schmerz-Belastung berichteten Probanden mit niedriger NPY-Expression über mehr negative affektive Erlebnisse vor und nach dem Schmerzreiz. Teilnehmer mit niedriger NPY-Expression waren darüber hinaus nach Anpassung bezüglich Alter und Geschlecht in der Gruppe mit Major Depression überrepräsentiert.

Fazit

Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass genetische Variationen von NPY einige Personen für eine niedrige Expression des Peptids prädisponieren und so die neuronale Antwort auf negative Stimuli erhöhen. Diese Muster scheinen das Risiko für bestimmte Formen der Major Depression zu beeinflussen, so die Autoren.

Dr. Johannes Weiß, Bad Kissingen