Laryngorhinootologie 2011; 90(11): 650-651
DOI: 10.1055/s-0031-1297191
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Therapierefraktärer Morbus Menière – Effektive Schwindelkontrolle durch intratympanale Gentamicin-Injektionen

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Publication Date:
15 November 2011 (online)

Sprechen Patienten mit einseitigem Morbus Menière nicht auf medikamentöse Maßnahmen an, kann eine Operation indiziert sein. Eine schonendere Alternative bietet die sogenannte "chemische Labyrinthektomie" mittels intratympanaler Gentamicin-Injektionen. Forscher des Miguel Servet University Hospital, Zaragoza, Spanien, überprüften den Erfolg dieser Therapie.
J Laryngol Otol 2011; 125: 363–369

L. Perez Delgado et al. testeten diese Methode an 71 Patienten, die seit durchschnittlich 9,4 Jahren an einem einseitigem Morbus Menière litten. Alle Teilnehmer waren mindestens 1 Jahr lang erfolglos mit Betahistidin, Kalziumantagonisten, Diuretika, Vasodilatatoren oder diätetischen Maßnahmen behandelt worden. In Intervallen (7–30 Tage) erhielten die Patienten eine 1. Therapieserie aus 3 oder 4 Gentamicin-Injektionen (26,7 mg/ml Injektionslösung). Weitere Injektionen erfolgten in Abhängigkeit von der Symptomatik. Etwa 1 Woche nach jeder Dosis wurden die vestibuläre und auditorische Funktion kontrolliert. Die subjektive Bewertung der Patienten wurde per Telefoninterview erfragt. Diagnosestellung, Ein- und Ausschlusskriterien, Stadieneinteilung und Nachsorge folgten den Richtlinien der American Academy of Otolaryngology Head and Neck Surgery (AAO-HNS). Prüfziele waren Schwindelkontrolle und Hörveränderungen. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 3,5 Jahre, Minimum waren 6 Monate.

66 % der Menière-Patienten erreichten eine komplette, 84 % eine komplette oder deutliche Schwindelkontrolle. Eine Subgruppenanalyse von 47 Patienten, die über mindestens 2 Jahre verfolgt wurden, kam zu ähnlichen Ergebnissen. Eine signifikante Hörverschlechterung (= 10 dB) infolge der Gentamicin-Injektionen trat bei 13 Patienten (18 %) auf. Bei 11 Patienten hatte sich das Hörvermögen deutlich gebessert, in den übrigen 47 Fällen blieb es unverändert. Die Audiometrie korrelierte nicht mit dem subjektiven Empfinden der Betroffenen: So berichteten 38 % über eine Hörverschlechterung. Gleichwohl bewerteten 79 % der Teilnehmer den Behandlungserfolg als sehr gut oder gut.

54 % der Patienten benötigten zur Schwindelkontrolle nur 1 Therapieserie mit durchschnittlich 3,3 Injektionen. Bei den übrigen Patienten (46 %) kam es zu einer Rückkehr der Schwindelsymptomatik. Diese klang in den meisten Fällen nach 1 weiteren Gentamicin-Injektion wieder ab. Die Anzahl der Schwindelattacken sank durch die Behandlung von durchschnittlich 8,8 auf 1,4 pro Monat. Von 8 Teilnehmern mit Tumarkin-Krisen erreichten 5 eine komplette und 2 eine deutliche Schwindelkontrolle. Ein Patient musste sich einer Operation unterziehen. Wichtigste therapiebedingte Komplikationen waren: Taubheit (n = 3), Trommelfellperforation (n = 4), temporäre Fazialisparese nach Lokalanästhesie (n = 3), Otitis (n = 3) und schwere Menière-Krise (n = 1).

Fazit

Intratympanale Gentamicin-Injektionen stellen beim medikamentös therapierefraktären Morbus Menière eine sichere und effektive Alternative zu invasiven chirurgischen Methoden dar. Angesichts der Vorteile erscheint das Komplikationsrisiko akzeptabel, so die Autoren.

Renate Ronge, Münster