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DOI: 10.1055/s-0031-1298168
Medizinisches Instrument und sein Entwickler. Heinrich Fritsch und der Bauchdeckenhalter
Publication History
Publication Date:
05 March 2012 (online)
Der am 5. Dezember 1844 in Halle a. d. Saale geborene Heinrich Fritsch ([Abb. 1]) war für die junge deutsche Gynäkologie von immenser Bedeutung, auch wenn heute der nach ihm benannte Bauchdeckenhaken – meist als „Fritsche Haken“ oder „Fritsche“ verballhornt – das Einzige ist, was im Gedächtnis der Fachkollegen blieb, so sie keine Alumni der Universitäts-Frauenklinik Bonn, deren Direktor Heinrich Fritsch (1893–1910) war, sind [1]. Bereits 1877 gründete er als junger außerplanmäßiger Professor der Universität Halle gemeinsam mit H. Fehling (damals noch Chefarzt in Stuttgart) und dem Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel das „Zentralblatt für Gynäkologie“ – eine moderne Fachzeitschrift, deren Erscheinen erst 2006 unter der Vorstellung einer „Kräftebündelung“ zugunsten der „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ eingestellt werden musste. Berühmt wurde Fritsch durch sein 1881 in 1. Auflage erschienenes Lehrbuch „Die Krankheiten der Frauen“, das ab der 13. Auflage von seinen Schülern Reifferscheid und Stoeckel, später von seinem Schwiegersohn Stoeckel als „Lehrbuch der Gynäkologie“ allein weitergeführt wurde und weitere 14 Auflagen erlebte. Heinrich Fritsch gehörte zu den aktiven praktischen und theoretischen Mitbegründern der deutschen operativen Frauenheilkunde im 19. Jahrhundert, förderte die Asepsis, konstruierte Instrumente und hinterließ eine starke klinisch-operative Schule (u. a. Stoeckel, Reifferscheid, Kehrer, Pfannenstiel).
Der „flotte, lebensfrohe Korpsstudent“ Fritsch studierte in Tübingen (Bummelsemester), Würzburg und Halle, wo er 1869 mit einer Arbeit über die Behandlung der Dünndarmokklusion promoviert wurde [1]. Engere studienbedingte Kontakte zu dem Tübinger Ordinarius der Geburtshilfe Franz Xaver von Breit (1817–1868) aber auch zu dem Würzburger Ordinarius Friedrich Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels (1821–1891) gab es nicht. Auf die rechte Bahn soll ihn erst das Studium der Virchowʼschen Zellularpathologie gebracht haben [1]. 1870 wurde Heinrich Fritsch Assistent bei Robert (von) Olshausen (1835–1915), dem damaligen Direktor der Hallenser Geburtshilflichen Universitätsklinik und späteren Ordinarius der I. Universitäts-Frauenklinik der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin [2]. Der Klinikeinsatz von Fritsch war zunächst nur sehr kurz, denn ihn zog es bald mit (heute schwer nachvollziehbarer) Begeisterung in den Krieg 1870/71. Nach dem Sieg und der Reichsgründung, von denen auch die Universität Halle durch die horrenden französischen Kriegskontributionen profitierte, zurück an der Olshausenʼschen Klinik erhielt er bis 1874 eine intensive geburtshilfliche Ausbildung. Schon am 28. April 1873 konnte er sich habilitieren [3]. Fritsch wurde bald ein gesuchter Operateur in Halle, der in kleinen Kliniken und gelegentlich sogar in Privatwohnungen operierte. 1877 erfolgte seine Ernennung zum Professor extraordinarius. Nach Otto Spiegelbergs Tod (1830–1881) erhielt Heinrich Fritsch 1882 den Ruf nach Breslau, nachdem Wilhelm Alexander Freund (1833–1917) noch 1881 die Berufungsverhandlungen mit seiner Alma Mater abgebrochen hatte. Fritsch fand ein Gebärhaus alten Stils am Ohlauer Stadtgraben vor, das er in den kommenden Jahren durch einen modernen Komplettneubau ersetzte. Im Drei-Kaiser-Jahr 1888 wurde Fritsch zum Rektor der Breslauer Friedrich-Wilhelms-Universität gewählt. An seiner Seiten standen damals u. a. so bekannte Hochschullehrer wie Heidenhain (Physiologie), Lesser (Gerichtsmedizin), Neisser (Dermatologie), von Mickulicz-Radecki (Chirurgie), Biermer (Innere Medizin) und Wernicke (Psychiatrie & Neurologie). Aufgrund seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, seiner klinischen Erfahrungen sowie seiner guten Beziehungen konnte er es sich leisten, Berufungen nach Leipzig, Würzburg, Halle und Wien abzulehnen – um dann 1893 einem Ruf nach Bonn zu folgen [1]. In Bonn erlebte Heinrich Fritsch seinen akademischen Zenit und seine Emeritierung. Die Gynäkologie befand sich in einem subtilen Differenzierungsvorgang [4], der einen bisher ungekannten wissenschaftlichen Aufbruch bewirkte [5, 6]. Aus dieser Zeit stammt seine Erstbeschreibung des heute nach Asherman benannten Syndroms [7] und auch die Entwicklung des berühmten Bauchdeckenhalters nach Fritsch ([Abb. 2]) und zahlreicher anderer Instrumente, die damals seinen Namen trugen. In seiner Denkschrift für Fritsch schreibt Stoeckel weiter: „…Die Bedeutung von Fritsch liegt nicht darin, dass er wissenschaftliche Ewigkeitswerte geschaffen hat, sondern darin, dass er in dem Werdegang seiner Wissenschaft eine bedeutende, lenkende und führende Rolle gespielt hat … Und doch kann auch er selbst in seiner Eigenart noch fortwirken, wenn seine Lehrbücher längst unmodern, seine Einzelarbeiten historisch geworden sein werden – fortwirken durch seine Schüler … wenn sie in seinem Geiste weiter arbeiten und weiter lehren …, dann wird das Beste seines Lebenswerkes seinen Namen lange überdauern. Und das werden sie tun …“ [1].
Literatur bei den Autoren.
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