Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72(6): 495
DOI: 10.1055/s-0031-1298443
Geschichte der Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Operative Methode und ihr Entwickler. Joe Vincent Meigs

Hans Ludwig
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. Juli 2012 (online)

Die deutsche Gynäkologie hatte Ernst Wertheim (1864–1920) [1], die amerikanische Joe Vincent Meigs (1892–1963) ([Abb. 1]). Zwischen Ernst Wertheim und Friedrich Schauta [2] bestand anfangs Uneinigkeit bezüglich des abdominalen oder vaginalen Zugangs. Die Radikalität der Uterusexstirpation beim Zervixkarzinom ist mit dem Namen Wertheim verbunden geblieben, ebenso wie die Erweiterung der Operation in Richtung auf pelvine und paraaortale Lymphknoten mit dem von Meigs. Es hat sich eingebürgert, für die Methode der erweiterten radikalen Operation beim Zervixkarzinom mit beiden Namen auszuzeichnen: Operation nach Wertheim-Meigs. Dies blieb bis heute so, obgleich inzwischen weitere Varianten des Vorgehens eingeführt wurden, nicht zuletzt die laparoskopische Vorgehensweise, welche den offenen abdominalen Weg zumindest im Hinblick auf die Lymphonodektomie konkurrenziert [3].

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Abb. 1 Joe Vincent Meigs (1892–1963).

Meigs wurde am 24. 10. 1892 in Lowell (Massachusetts) geboren, sein Vater war praktischer Arzt. Er studierte in Princeton und Harvard. Ein Jahrzehnt lang hielt er eine Stellung als klinischer Professor für Gynäkologie am Massachusetts General Hospital (Harvard) in Boston (1932–1942).

Im Jahre 1937 beschrieb er als Erster das gemeinsame Vorkommen eines Ovarialfibroms mit Pleuraerguss und Aszites [4]. Später wurde diese Symptomtrias als „Meigs-Syndrom“ bezeichnet. Inzwischen sind die Erhöhung des CA-125 und beim Hydrothorax die Bevorzugung der rechten Seite als weitere Charakteristika hinzugekommen.

Besondere Popularität unter den gynäkologischen Operateuren errang Meigs durch die Betonung der Lymphonodektomie bei der Radikaloperation (1951) [5], die er 1954 ausführlich in einer Monografie beschrieb [6]. Die Verfeinerung der operativen Technik zur Sicherung der Radikalität ist mit den Namen verdienter gynäkologischer Operateure der gynäkologischen Onkologie verbunden [7, 8], jedoch sollte hier die historische Reihenfolge hervorgehoben werden, an deren Spitze zweifelsohne Ernst Wertheim und Joe Vincent Meigs stehen.

Meigs hat als einer der wenigen führenden amerikanischen Operateure Europa Anfang der 60er-Jahre besucht. Mit Otto Käser [9] verband ihn eine bemerkenswerte kollegiale Freundschaft. Meigs starb 1963 überraschend auf einem Rückflug von einer Vortragsreise.

In der Medizin werden Behandlungsverfahren im Laufe der Zeit angepasst, vor allem, wenn neue methodische Möglichkeiten berücksichtigt werden müssen; schließlich ähnelt die ursprüngliche Vorgehensweise kaum noch der originalen, der sie den ursprünglichen Namen verdankt. Sollten wir daraus den Schluss ziehen, historische Bezeichnungen zu verlassen? Nein. Die Beibehaltung der alten Namensgebung ist ein Zeichen dafür, dass sich eine Methode über einen langen Zeitraum prinzipiell durchgesetzt hat, auch wenn sie angepasst und deshalb verändert werden musste. Die Alternative wäre, von Zeit zu Zeit neue Namen hinzuzufügen und damit Akzente zu setzen. Das geschah im Falle der Radikaloperation beim Zervixkrebs, in dem man zu den Namen von Ernst Wertheim, Friedrich Schauta oder Joe Vincent Meigs z. B. Daniel Dargent (Trachelotomie) oder Michael Höckel (totale mesometriale Resektion) [10] erwähnt, die mit wesentlichen neuen Modifikationen zum alten Grundkonzept später beigetragen haben. Wir tun dennoch gut daran, an den historischen Bezügen durch die Beibehaltung alt-vertrauter Namen festzuhalten.

Literatur beim Autor.