Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72(4): 259
DOI: 10.1055/s-0031-1298483
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

M. W. Beckmann
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Publication Date:
02 May 2012 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

im August des vorigen Jahres wurde von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) gemeinsam mit der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) eine neue evidenzbasierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Gestationsdiabetes verabschiedet. Sie gehört zu den Leitlinien, die in enger interdisziplinärer Kooperation erstellt worden sind. Davon hat die DGGG eine ganze Reihe vorzuweisen; ich erwähne an dieser Stelle nur die S3-Leitinie zur Brustkrebs-Früherkennung, die gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie erarbeitet wurde, oder die S3-Leitlinie zu Harnwegsinfektionen, die gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Urologie erstellt wurde.

Es ist nicht übertrieben, die S3-Leitlinie zum Gestationsdiabetes (GDM) als einen Meilenstein in der Diagnostik und Therapie des Diabetes in der Schwangerschaft zu bezeichnen. Die interdisziplinäre Absicherung der Empfehlungen durch die beiden hier relevanten Fachgesellschaften sowie die Integration der Empfehlungen der International Association of Diabetes and Pregnancy Study Groups (IADPSG) bedingen eine breite Evidenzbasis und einen überdisziplinären Konsens. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die kürzlich ergangene Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (G-BA), allen Schwangeren einen Blutzucker-Suchtest als Kassenleistung anzubieten. Schwangere zwischen der 24. und 28. SSW haben ab sofort Anspruch auf eine Blutzucker-gestützte Früherkennung des GDM.

Die Entscheidung des G-BA vom 15.12.2011 trat mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 2.3.2012 in Kraft. Sie wurde von Diabetologen, aber auch von Gynäkologen seit Längerem dringend gefordert, und sie ist richtig, auch wenn die Datenbasis für die Prävalenz des GDM immer noch unzureichend ist. Ute Schäfer-Graf schrieb 2010 in der GebFra (Mai-Ausgabe Geburtsh Frauenheilk 2010; 70: 411–412), dass es „geradezu unethisch ist, das Risiko einzugehen, Schwangeren eine Therapie vorzuenthalten, weil durch fehlende Diagnostik das Problem nicht erkannt wurde“.

In der vorliegenden Ausgabe (Seite 311 ff.) belegt die Arbeit von Christina Huy, Adrian Loerbroks, Amadeus Hornemann, Silke Röhrig und Sven Schneider, weshalb unsere Kenntnis der Verbreitung des GDM trotz der Daten der Perinatalstatistik noch lückenhaft ist. Dass mit der neuen S3-Leitlinie nunmehr ein Konsens für die Diagnostik des GDM – etwa in Abgrenzung zu anderen Typen des Diabetes mellitus – vorliegt, und dass mit der Einführung eines Screenings auf GDM die Datenbasis deutlich verbessert wird, lässt erwarten, dass die Epidemiologie des GDM in absehbarer Zeit auf deutlich sichereren Füßen steht als heute.

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Ihr
M. W. Beckmann