NOTARZT 2012; 28(02): 57-62
DOI: 10.1055/s-0031-1298972
Originalia
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Weisungsrecht und Ladungssicherung im Rettungsdienst

Eine kritische Betrachtung der Grenzen notärztlicher Weisungsbefugnisse im Hinblick auf den Transport ungesicherter LadungAuthority to Give Directions and Cargo Security in Ambulance ServicesA Critical Appraisal of the Limits of the Emergency Physicians Authority to give Directions in Regard to the Transport of Unsecured Cargo
A. Perthes
1   Amt für Sicherheit und Ordnung, Kreis Herford
,
T. Jakob
2   Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Kreis Herford
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
13 April 2012 (online)

Zusammenfassung

Im Hinblick auf den Umfang der Weisungsbefugnisse eines Notarztes gegenüber dem Rettungsdienstpersonal herrscht in der Praxis trotz vermeintlich klarer gesetzlicher Regelungen oft Unklarheit. Problematisch erscheint dies insbesondere dann, wenn zwischen medizinischen und einsatztaktischen Aspekten nicht mehr klar unterschieden werden kann, wie z. B. bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Anweisung eines Notarztes zusätzliches medizinisches Gerät ungesichert auf einem Rettungsfahrzeug mitzuführen. Auch für den Rettungsdienst gelten die einschlägigen Normen der StVO in Bezug auf die Ladungssicherheit. Verantwortlich ist hiernach stets der Fahrzeugführer für die Sicherung der Ladung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Von dieser Verantwortung ist der Fahrzeugführer auch dann nicht befreit, wenn er im Rahmen eines Einsatzes durch den Notarzt angewiesen wird, Ladung ungesichert zu transportieren. Dies gilt auch für den Fall der Anwendung von Sonder- und Wegerechten, wenngleich der Fahrzeugführer der notärztlichen Einschätzung der Dringlichkeit des ungesicherten Mitführens zusätzlichen medizinischen Geräts zur Aufrechterhaltung vitaler Funktionen unter Gesichtspunkten der Güterabwägung erhebliches Gewicht beizumessen hat.

Abstract

Especially with regard to the extent of an emergency physician’s authority to give directions to paramedical personnel there often is considerable uncertainty in practice in spite of an apparently clear legal situation. This appears to be a particular problem when it is no longer possible to distinguish between medical and tactical aspects, such as for example, the question of the lawfulness of an emergency physician’s instruction to transport additional, unsecured medical equipment in an ambulance vehicle. In fact the relevant standards of the Highway Code with regard to cargo security also apply for the ambulance service. The responsibility for securing the load in accord with the generally accepted standards of safety lies solely with the driver. The driver is not relieved of this responsibility even when in the course of a mission he is instructed by the emergency physician to transport an unsecured load. This also applies to the use of special rights of way whereby the driver must seriously take the emergency physician’s professional assessment of the necessity to transport additional unsecured equipment in order to maintain vital functions of a patient into consideration.

 
  • Literatur

  • 1 BGH 16.09.2004, III ZR 346/03
  • 2 Kern B-R, Hahn E, Peters M. Medizinrechtliche Aspekte. In: Wölfl C, Gerrit M, Hrsg. Unfallrettung. Einsatztaktik, Technik, Rettungsmittel. Stuttgart: 2010: 6
  • 3 Lenz D. Rechtliche Grundlagen Rettungsdienst. In: Luxem J, Kühn D, Runggaldier K, Hrsg. Rettungsdienst RA/RS. München: 2010: 492
  • 4 Vgl. auch § 4 Abs. 2 Satz 3 RettG, § 7 SHRDG, § 4 SRettG, Art 21 BayRDG
  • 5 Prütting D. Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar für die Praxis. Köln, Stuttgart, Berlin, Hannover, Kiel, Mainz, München: 2001: 59
  • 6 Fehn K, Selen S. Rechtshandbuch für Feuerwehr und Rettungsdienst. Edewecht, Wien: 2003: 97
  • 7 Fehn/Selen, 237; Kern/Hahn, 6
  • 8 Lissel P. Rechtsfragen im Rettungswesen. Risiken im Einsatz. Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden: 2006: 70
  • 9 Tries R. Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst. Edewecht, Wien: 2005: 41
  • 10 Fehn/Selen, 236
  • 11 Lenz (Rettungsdienst), 491
  • 12 LAG Sachsen 2301.2002, 2 Sa 430/01
  • 13 Schneider T, Wolcke B, Böhmer R. Taschenatlas Notfall und Rettungsmedizin. Kompendium für den Notarzt. Berlin, Heidelberg: 2010: 6
  • 14 Vergleich URL: http://www.ihk-wiesbaden.de/index.php?id=644 (08.09.2011)
  • 15 ebda.
  • 16 Als Standardwerk der Ladungssicherung wird mittlerweile die Richtlinienreihe VDI 2700 angesehen, wobei jedoch anzumerken ist, dass diese Richtlinie nur einen Anhalt, jedoch keine gesetzliche Grundlage für eine ordnungsgemäße Ladungssicherung bietet und im Streitfall grundsätzlich einer richterlichen Nachprüfung bedarf
  • 17 Vergleich URL: http://www.ladungssicherung.de/1__rechtliche_grundlagen (08.09.2011) sowie OLG Düsseldorf, 18.07.1989, 5 S 274/89
  • 18 Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Ladungssicherung von Stückgut. Handbuch. 2007: 17
  • 19 Bundesanstalt für Materialforschung, 23
  • 20 OLG Hamm 03.02.2010, 3 RBs 7/10 sowie BayOBLG, NZV 1999, S 479
  • 21 ebda.
  • 22 ebda.
  • 23 Lentz (Rettungsdienst), 502
  • 24 Vgl. DIN 75079 (NEF): „Ausrüstung muss vom Fahrgastraum so getrennt gelagert und gesichert werden, dass diese nicht verrutscht und so bei Verkehrsunfällen Verletzungsgefahren vermieden werden“
  • 25 OLG Köln 26.02.1998, 7 U 178/97
  • 26 ebda.
  • 27 Diese Ansicht wird auch durch zahlreiche Berichte und Gutachten bestätigt. Beispielhaft sei hier nur auf die Ergebnisse eines ADAC-Crashtests aus dem Jahre 2005 verwiesen, wonach bei einem simulieren Auffahrunfall aus 50 km/h auf Ladung und Insassen das bis zu 30-Fache der Erdbeschleunigung wirkte. So wurden bspw. bei Gegenständen mit einem statischen Gewicht von 2 kg ein Crashgewicht von über 60 kg, bei einem statischen Gewicht von 4 kg gar ein Crashgewicht von 120 kg ermittelt. Vergleich URL: http://www.adac.de/infotestrat/tests/crash-test/ladungssicherung/baumarkt.aspx?tabid=tab2 (01.07.2011)
  • 28 Lentz Sorgfaltspflichten beim Patiententransport. In: Flake F, Runggaldier K. 50 neue Fälle für den Rettungsdienst. München: 2009: 220
  • 29 Lentz (Fälle für den Rettungsdienst), 220 und übereinstimmend LAG Rheinland-Pfalz, 13.07.2005, 10 Sa 197/05
  • 30 LAG Rheinland-Pfalz 13.07.2005, 10 Sa 197/05
  • 31 OLG Jena 20.12.2006, 4 U 259/05
  • 32 OLG Nürnberg 01.06.2001, 6 U 93/01
  • 33 OLG Köln 26.02.1998, 7 U 178/97
  • 34 KG Berlin 12.04.2001, 12 U 14/99
  • 35 Obwohl die Rettungswagen im Rahmen der Crash-Versuche mit nur 33 km/h an die Wand prallten, zeigten sich im Innenraum nach Angaben des ADAC Bilder der Verwüstung. Sowohl Schubkästen als auch die Krankentragen hielten den Belastungen nicht stand. Das Verletzungsrisiko für den Patienten wurde als viel zu hoch eingeschätzt. Vgl.: http://www.adac.de/_mm/pdf/20_jahre_crashtest_24429.pdf
  • 36 BGH 25.04.2001, 1 StR 130/01
  • 37 Vergleich URL: http://www.ladungssicherung.de/2__physikalische_grundlagen (01.07.2011)
  • 38 Lemke M, Mosbacher A. Ordnungswidrigkeitengesetz. Kommentar. Heidelberg, München, Landsberg, Berlin: 2005: 91 ff
  • 39 ebda.