Arzneimittelforschung 2010; 60(11): 702
DOI: 10.1055/s-0031-1300720
Originalarbeit
Editio Cantor Verlag Aulendorf (Germany)

Die Zukunft der Hepatitis B-Therapie – Welche Rolle werden Kombinationstherapien spielen?

Thomas Berg
Sektion Hepatologie, Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Leipzig
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
30 December 2011 (online)

Die therapeutischen Möglichkeiten bei chronischer Hepatitis B haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Inzwischen sind in Europa sieben Medikamente zur Behandlung der chronischen Hepatitis B zugelassen (Standard-Interferon-alpha und PEG-Interferon-alpha-2a sowie die Nukleos(t)idanaloga Lamivudin, Adefovir, Telbivudin, Entecavir und Tenofovir). Die Substanzen unterscheiden sich in ihrer antiviralen Aktivität, ihrem Nebenwirkungsprofil und im mit ihrem Einsatz verbundenen Risiko der Resistenzentwicklung. Für die langfristige Kontrolle der Hepatitis B-Virus (HBV)-Infektion benötigt die Mehrzahl der HBV-infizierten Patienten eine antivirale Langzeittherapie über mehrere Jahre. Die Aufrechterhaltung der Therapieadhärenz und Strategien zur Resistenzvermeidung gehören zu den besonderen Herausforderungen der Langzeittherapie mit Nukleos(t)idanaloga.

Die Monotherapie mit entweder pegyliertem Interferon alpha (PEG-IFNα) oder potenten Nukleos(t)idanaloga bleibt weiterhin Standard in der Therapie der chronischen Hepatitis B. Diese beiden Therapieoptionen der chronischen Hepatitis B basieren auf unterschiedlichen Prinzipien und lassen sich nicht direkt miteinander vergleichen: Während die PEG-IFNα-Therapie aufgrund des Nebenwirkungsprofils nur über einen begrenzten Zeitraum erfolgen kann, werden die Nukleos(t)idanaloga in der Regel zur Langzeittherapie eingesetzt, da es bei Kurzzeitanwendung nach Absetzen der Therapie meist zu einem virologischen Relapse kommt. Das Prinzip der PEG-IFNα-Therapie basiert auf der immunologischen Induktion einer anhaltenden Remission bei begrenzter Therapiedauer (z.B. über 6–12 Monate). Im Gegensatz dazu ist das Ziel der Langzeittherapie mit Nukleos(t)idanaloga eine anhaltende Inhibierung der Virusreplikation. Eine primäre Kombinationstherapie von Nukleos(t)idanaloga oder von PEG-IFNα plus Nukleos(t)idanalogon ist bisher nicht etabliert.

Durch die Einführung der neueren und im Vergleich zu Adefovir und Lamivudin stärker antiviral wirksamen Inhibitoren der HBV-Polymerase (Entecavir, Tenofovir und Telbivudin) konnte das Problem der Resistenzentwicklung bei unvorbehandelten Patienten deutlich reduziert werden. Resistenzentwicklungen gegenüber Entecavir wurden im Langzeitverlauf über 6 Jahre bei nur 1,2% gefunden. Für Tenofovir sind bisher keine Resistenzentwicklungen beschrieben worden. Unter einer Telbivudintherapie liegen die Resistenzraten bei < 5% im Langzeitverlauf, wenn eine komplette virologische Response zur Therapiewoche 24 erreicht worden ist. Im Gegensatz dazu liegt die Entecavirresistenzrate bei La-mivudin-vorbehandelten Patienten nach 6 Jahren bei ca. 57%.

Um eine Resistenzbildung gegenüber Nukleos(t)id-analoga zu vermeiden, ist eine Suppression der HBV-DNA unter die Nachweisgrenze innerhalb von 6–18 Monaten (in Abhängigkeit der verwendeten Substanz) zu erreichen, andernfalls sollte die Therapie umgestellt werden. Kommt es unter der Behandlung zu einem bestätigten Anstieg der HBV-DNA, der höher als eine logarithmische Stufe ist, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Resistenz vor und die Therapieform muss angepasst werden; gegebenenfalls muss eine Kombinationstherapie mit einem Nukleosid- und einem Nukleotid-analogon begonnen werden. Die Kombination von nichtkreuzresistenten Nukleos(t)idanaloga führt jedoch nicht zu einer Steigerung der antiviralen Effektivität. Neuere Studien belegen, dass auch in der Resistenzsituation eine Monotherapie mit Nukeos(t)idanalaloga ebenso effektiv durchgeführt werden kann wie bei bisher unvorbehandelten Patienten, wenn die verwendete Substanz eine volle Suszeptibilität gegenüber der resistenten HBV-Variante besitzt (Beispiel: Tenofovir bei Lamivudinresistenz).

Die Notwendigkeit einer Kombinationstherapie mit Nukleos(t)idanaloga bei Patienten mit Resistenzentwicklung oder inkompletter Response wird daher zunehmend kritisch gesehen. Auch die Sicherheit der langfristigen Kombinationstherapie ist wenig untersucht.

Die Kombination aus PEG-IFNa plus Nukleos(t)id-analogon stellt einen interessanten Ansatz dar, der in zukünftigen Studien weiter evaluiert werden sollte, da diese Kombination gegenüber der jeweiligen Monotherapie eine erhöhte antivirale Effizienz besitzt. Es wird zu prüfen sein, ob auch andere Endpunkte, wie der HBsAg (hepatitis B surface antigen)-Verlust, langfristig dadurch günstiger beeinflusst werden können.