ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2011; 120(12): 613
DOI: 10.1055/s-0031-1301072
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Album versus Festplatte

Cornelia Gins
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Publication Date:
27 December 2011 (online)

Wie jedes Jahr werden die Wochen vor den Weihnachtstagen wieder mit reichlich Hektik verbunden sein. Auch wie jedes Jahr kommt der 24. Dezember ganz überraschend. Meine Güte, was da noch alles zu erledigen ist: kaufen, kaufen, kaufen ist die Devise. Wunschzettel gibt es immer noch, wenn auch deren Inhalt mit dem aus meiner Kindheit nicht vergleichbar sein dürfte. Jede Menge digitaler Schnickschnack wird darauf zu finden sein. IPhones und iPads dürften wohl das Herz jeder Altersklasse erfreuen, vielleicht auch die eine oder andere digitale Kamera der inzwischen ich weiß nicht wie vielten Generation. So ist damit zu rechnen, dass auch dieses Weihnachtsfest in unendlichen digitalen Bildern gespeichert wird: Mutter in der Küche mit und ohne Gans, der Gänsebraten auf dem Tisch komplett und in Einzelteilen, der Weihnachtsbaum mit und ohne Geschenke und überall strahlende Gesichter.

Die digitale Revolution hat es möglich gemacht, unkompliziert und zu jeder Zeit das Leben durch den Sucher im Kleinformat abzuspeichern. Ich bin oft überrascht, was alles für die Ewigkeit festgehalten wird. Denn für die Ewigkeit soll es doch sein, zumindest war es früher so, als noch mit viel Zeit und Akribie die Bildschätze in ein Album geklebt wurden. Und es waren Schätze. Sie waren Dokumente, um Geschichte zu erzählen und zu bewahren. Das klassische Album hat entscheidende Lebensmomente festgehalten und konnte als private Familienchronik an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Das alles kann ein digitales Foto nicht. Die immer wiederkehrenden aseptischen Aufnahmen von Urlauben, Partys oder den heranwachsenden Kindern haben keinen Einfluss auf das Erinnerungsvermögen. Das ist auch nicht Trend. Schnell ins Internet gestellt, kann der Rest der Welt über vermeintliche interessante Aspekt des eigenen Lebens informiert werden. Sicher, die Fotos werden auf dem Rechner abgelegt. Aber wie oft schaut man sie sich wirklich an? Auch ”entwickeln“ ist möglich, aber nicht ganz billig, und es muss aus dem Riesenangebot eine Auswahl getroffen werden. So schlummern ohne Ende Digitalfotos in den Dunkelkammern der Rechner und warten vergebens darauf, zum Leben erweckt zu werden.

Private Erinnerungen sind kostbar, und wie der Dichter Jean Paul sagte, das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. Die digitale Technik macht es vermeintlich leicht, diese Erinnerungen aufzuheben und zu bewahren. Doch sie sind flüchtig, denn in immer kürzerer Zeit veralten die Speichermedien. Möglicherweise haben Sie in Ihrem Fundus noch alte Fotoalben. Dann finden Sie vielleicht Gelegenheit, sie mit Ihren Kindern einmal anzusehen, in Ihren Erinnerungen zu schwelgen und zu erzählen. Welche Zeit könnte dafür besser geeignet sein als die Weihnachtszeit.

Ich wünsche Ihnen ein friedliches Weihnachtsfest und einen fröhlichen Start in das Neue Jahr.

Ihre

Cornelia Gins