Sprache · Stimme · Gehör 2011; 35(04): 173
DOI: 10.1055/s-0031-1301141
Der kleine Repetitor
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Oberer Ösophagussphinkter

Further Information

Publication History

Publication Date:
23 January 2012 (online)

Zoom Image

Der anatomische Aufbau des oberen Ösophagussphinkters (oÖS) wird bis heute aufgrund der anatomischen Varianten und der jeweils verwendeten Untersuchungsmethode kontrovers diskutiert. Der oÖS befindet sich im Übergang vom Hypopharynx in den Ösophagus auf Höhe des Ringknorpels und setzt sich im Wesentlichen aus 3 Muskeln zusammen (Abb. [ 1 ]). Die Aufrechterhaltung des Sphinktertonus zwischen den Schluckvorgängen erfolgt vorwiegend durch den M. cricopharyngeus, der sich aus einer oberflächlichen Pars obliqua und einer tiefen Pars fundiformis. Seine Muskelfasern entspringen vom Krikoid und von den Cornu inferiores des Schildknorpels und inserieren mit den oberflächlichen Anteilen in die dorsale Raphe. Darüber sind sie mit der Wirbelsäule verbunden. Bei einer anterior-superioren Bewegung des Larynx während des Schluckvorgangs kommt es deshalb zu einer Dehnung des M. cricopharyngeus in anterior-posteriorer Richtung.

Zoom Image
Abb. 1 Pharyngo-ösophagealer Übergang (Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Hals und Innere Organe. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2005)

Am Aufbau des oÖS sind außerdem die kaudalen Anteile des M. constrictor phapharyngis inferior und kraniale Anteile der oberen Ösophagusmuskulatur beteiligt. Aufgrund der anatomischen Struktur ist der oÖS ein echter Ringsphinkter und unterscheidet sind damit von der distalen ösophagealen Verschlusszone am Übergang zum Magen, die durch einen Dehnverschluss gebildet wird. Zusätzlich wird im oÖS ein Gefäßplexus beschrieben, der im Sinne eines Schwellkörpers den Verschluss komplettiert (angiomuskulärer Schnürverschluss).

Der M. constrictor pharyngis inferior und der M. cricopharyngeus werden hauptsächlich über den Plexus pharyngeus, der aus Anteilen des N. glossopharyngeus und N. vagus gebildet wird, innerviert. Die oberen Anteile der Ösophagusmuskulatur, die dem oÖS zuzurechnen sind, werden überwiegend über den N. vagus versorgt. In neueren Studien wird aber auch (klinisch sehr wichtig!) eine Beteiligung des N. laryngeus recurrens an der Innervation des M. cricopharyngeus und des oberen Ösophagus beschrieben. Schluckstörungen bei Recurrensparese könnten hier eine Ursache haben.

Die Öffnungsdynamik des oÖS ist ein komplexer Prozess, der im Wesentlichen in 5 Phasen unterteilt werden kann:

  1. Während der initialen Larynxelevation erfolgt die Relaxation der Sphinktermuskulatur → Druckabfall auf Atmosphärendruck ("null").

  2. Der öÖS wird bei der Larynxhebung passiv gedehnt → neutraler bis negativer Druck. Bei Öffnung des oÖS → Druckanstieg auf null.

  3. Beim Bolusdurchtritt wird der oÖS zusätzlich erweitert → positiver Druck.

  4. Nach der Boluspassage kollabiert der Sphinkter → wieder Atmosphärendruck.

  5. Bei Eintreffen der pharyngealen Kontraktionswelle kommt es zur Kontraktion des oÖS, der danach wieder den individuellen Ruhedruck einnimmt.

Die Öffnungsdauer des oÖS hängt mit der Dauer der anterior-superioren Bewegung des Larynx und der Bolusgröße zusammen, die Öffnungsweite nimmt mit steigendem Bolusvolumen zu.

Fazit

Stark vereinfacht beruht der Schluckvorgang im Übergang von der pharyngealen zur ösophagealen Phase auf 3 Komponenten: pharyngealer Druckaufbau, Schutz der unteren Luftwege durch Elevation und Verschluss des Kehlkopfes und Öffnung des oÖS. Alle 3 Komponenten müssen bei einer Dysphagie sorgfältig untersucht werden. Die Funktionsdiagnostik des oÖS ist technisch aufwändig (Manometrie), ermöglicht aber, falls erforderlich, gezielte therapeutische Interventionen. Auch bei der extrösophagealen Refluxerkrankung kommt dem oÖS eine wichtige Rolle zu.

Dr. med. Michael Jungheim, Hannover