Rehabilitation (Stuttg) 2012; 51(02): 89-95
DOI: 10.1055/s-0032-1306293
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rechtliche Rahmenbedingungen von Priorisierung in der Rehabilitation

Legal Context of Prioritization in Rehabilitation
F. Welti
1   Abteilung Sozialpolitik, Recht, Soziologie, Institut für Sozialwesen, Universität Kassel
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Publication Date:
08 May 2012 (online)

Zusammenfassung

Leistungen zur Teilhabe werden in Deutschland auf Basis des öffentlichen Sozialrechts erbracht. Zuteilung und Priorisierung unterliegen somit rechtlichen Bindungen. Soweit Leistungen zur Teilhabe zum Existenzminimum gehören, sind sie jedenfalls bei Bedürftigkeit unbedingt zu erbringen. Da alle Leistungsgruppen auch Teil des Sozialhilferechts sind, besteht zumindest eine Vermutung, dass sie zum Existenzminimum gehören. Aus den Freiheitsrechten folgt, dass für Mitglieder eines Pflichtsystems wesentliche Leistungen bei wichtigen Bedarfslagen gewährleistet sein müssen. Die Gleichheitsrechte verlangen für Differenzierungen einen sachlichen Grund. Benachteiligungen insbesondere wegen Religion, Rasse, Geschlecht und Behinderung sind verboten. Das ist auch bei einer Priorisierung nach dem Nutzen von Leistungen zu beachten. Wesentliche Kriterien der Priorisierung müssen durch Gesetz festgelegt werden.

Das gegliederte System der Rehabilitation in Deutschland erschwert eine systematische Priorisierung, da der Leistungszugang nach wie vor unterschiedlichen Kriterien folgt. Das SGB IX sieht gemeinsame Empfehlungen vor, die aber bislang nicht hinreichend konkret sind. Fraglich ist, ob sich aus den Leistungsvoraussetzungen im Einzelnen Kriterien der Priorisierung gewinnen lassen. Dieser sind enge Grenzen gezogen, soweit auf Leistungen ein Rechtsanspruch dem Grunde nach besteht. Daran ändern auch Budget-Regelungen wie in der gesetzlichen Rentenversicherung nichts. Ob diese allerdings zu einer faktischen Priorisierung führen und was deren Kriterien sind, wäre zu erforschen. Das gilt auch für die Wartezeit auf Leistungen zur Teilhabe sowie für Art und Umfang der Leistungen, die im Ermessen der Träger stehen. Eine erhebliche priorisierende Wirkung haben Entscheidungen über die zur Verfügung stehende Infrastruktur der Dienste und Einrichtungen. Hierfür besteht weder eine klare gesetzliche Verantwortlichkeit noch ein Forschungsstand aus der Praxis. Schließlich ist nicht nur die Priorisierung innerhalb der Rehabilitation zu betrachten, sondern auch die Prioritätensetzung zwischen Rehabilitation und Akutbehandlung.

Abstract

Participation benefits (rehabilitation) in Germany are granted on the basis of public social security law. Allocation and prioritization, hence, are to be seen in a legal context. As far as they belong to subsistence level requirements, participation benefits have to be granted unconditionally in case persons are needy. As all kinds of participation benefits also are part of social assistance law it can be assumed that they are part of subsistence. In light of individual basic freedoms, members of an obligatory system of social security have to be granted essential benefits in case of major contingencies. Basic equality rights demand objective reasons for making distinctions. Discrimination on the basis especially of religion, race, gender and disability is forbidden. This has to be taken into account also in prioritization by benefit usefulness. Substantial criteria for prioritization have to be stipulated by law.

The divided system of rehabilitation in Germany impedes a systematic prioritization because benefits continue to be granted according to different criteria. The social code book 9 – SGB IX – demands common guidelines for the rehabilitation administration bodies, but these guidelines are not concrete enough so far. It remains to be seen whether prioritization criteria can be extracted from the various benefit prerequisites. Prioritization is subject to narrow limits as far as persons are basically entitled to a benefit. This holds true also in case of rehab budgets such as those in statutory pension insurance. Anyhow, research needs to be done on whether these lead to prioritization in practice and which criteria would be relevant. A highly prioritizing impact is exercised by decisions about the available infrastructure of rehabilitation services and facilities, but there is neither a clear legal basis nor research on this subject. Finally, not only prioritization within rehabilitation has to be discussed but also prioritization between rehabilitation and acute medicine.

 
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