Transfusionsmedizin 2012; 02(01): 6
DOI: 10.1055/s-0032-1306997
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fetale und neonatale Alloimmunthrombozytopenie – Charakterisierung des Thrombozytenalloantigens Swia

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Publikationsdatum:
21. Februar 2012 (online)

 

Die fetale und neonatale Alloimmunthrombozytopenie (FNAIT) ist eine schwere Blutungsstörung bei Feten und Neugeborenen. Verantwortlich dafür sind mütterliche Antikörper, die während der Schwangerschaft und nach der Geburt den Abbau fetaler Thrombozyten verursachen. H. Kroll et al. haben im Serum einer Mutter, deren Fetus an einer schweren intrakraniellen Blutung starb, einen gegen ein neues Thrombozytenalloantigen (Swia) gerichteten Antikörper identifiziert. Swia wurde im Rahmen einer Studie charakterisiert.
Transfusion 2011; 51: 1745–1754

Swia ist Bestandteil des thrombozytären Glykoproteins Ia (GP Ia). Ein Test des mütterlichen Serums gegen väterliche Thrombozyten mittels eines MAIPA-Assays (MAIPA: Monoclonal antibody-specific Immobilization of PLT Antigens) offenbarte eine Reaktion mit den Thrombozyten-Glykoproteinen GP IIb / IIIa (αIIbβ3) und GPI a / IIa (α2β1-Integrin), was auf die Anwesenheit von Anti-HPA-1a sowie eines weiteren Antikörpers gegen GP Ia (Anti-Swia) hindeutete. Um eventuelle Mutationen zu identifizieren, analysierten die Autoren die Nukleotidsequenz von GPIa unter Verwendung von väterlicher Thrombozyten-mRNA. CHO-Zellen (CHO: Chinese Hamster Ovary) wurden mit allelspezifischen GP Ia-Konstrukten transfiziert, die für die innerhalb der Studie ermittelten Isoformen Thr1087 und Met1087 kodierten.

Durch immunchemische Untersuchungen war es möglich, die Lokalisation des Swia-Antigens auf GPI a / IIa zu bestätigen. Die Analyse der GP Ia-cDNA vom Vater erbrachte einen Nukleotidaustausch (C3347T) im Exon 28, der für die Aminosäuresubstitution Thr1087Met verantwortlich war. Die Ergebnisse einer Untersuchung der Familienmitglieder mithilfe des Restriktionsfragment-Längenpolymorphismus (RFLP) korrelierten perfekt mit den Phänotypen. 4 von 10 Mitgliedern der "väterlichen" Linie, aber keiner der 500 nicht verwandten Blutspender, waren Swia-Träger. Im Rahmen der Expressionsanalyse mit CHO-Zellen bestätigte sich, dass die Aminosäuresubstitution Thr1087Met für die Bildung von Swia-Epitopen verantwortlich war. Die Autoren stellten in Bezug auf die kollageninduzierte Thrombozytenaggregation zwischen Swia-positiven und Swia-negativen Thrombozyten keinen Unterschied fest. Eine Inhibierung der Thrombozytenaggregation durch Anti-Swia fand nicht statt. Bestätigt wurden die Ergebnisse anhand der allelspezifisch- transfizierten CHO-Zellen.

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Okzipitotemporale Massenblutung bei einem Frühgeborenen der 32. SSW mit Alloimmunthrombozytopenie im Alter von 2 Tagen (Quelle: Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie, hrsg. von Hofmann, Deeg, Hoyer, Thieme Verlag Stuttgart, 2005).

Fazit

Die Studie basierte auf dem Fall eines an FNAIT erkrankten Fetus, der an einer intrakraniellen Blutung starb. Die Lokalisation des neuen Alloantigens Swia auf dem thrombozytären Glykoproteinkomplex GP Ia / IIa wurde bestätigt. Ursache für die Bildung von Swia-Epitopen war ein Nukleotidaustausch innerhalb des GP Ia-Gens.

Dr. Frank Lichert, Weilburg

Kommentar zu:

Transfusion 2011; 51: 1745–1754

Der von Kroll et al. nachgewiesene Alloantikörper charakterisiert ein weiteres Antigen, das der Gruppe der Antikörper gegen niedrigfrequente thrombozytären Antigene zuzurechnen ist. Solche Antigene können auf einzelne Familien beschränkt sein oder in einer sehr nie-drigen Frequenz in der Population vorkommen. In den Panels von Testthrombozyten zum Nachweis der "üblichen", eine FNAIT auslösenden Alloantikörper (HPA-1, -5, -3, -2, -15) sind diese niedrigfrequenten Antigene daher in der Regel nicht berücksichtigt. Die Tatsache, dass es immer wieder Fälle von fetaler / neonataler Alloimmunthrombozytopenie (FNAIT) durch Antikörper gegen niedrigfrequente Alloantigene gibt, macht es erforderlich, dass bei der immunologischen Diagnostik solcher Fälle die mütterlichen Serumproben stets auch gegen die Thrombozyten des Kindsvaters im Sinne eines "Thrombozyten-serologischen Crossmatches" angesetzt werden. Der besonderen Aufmerksamkeit bei der Aufklärung von FNAIT-Fällen mit dieser Strategie verdanken die niedrigfrequenten thrombozytären Alloantigene ihre Entdeckung.

Prof. Dr. V. Kiefel, Rostock