Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2012; 47(3): 144-149
DOI: 10.1055/s-0032-1307461
Fachwissen
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapiebegrenzung in der Intensivmedizin – Was ist in der Praxis zu beachten?

End-of-life decisions What is important for our routine duties in critical care medicine?
Christel Lorenz
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Publication Date:
22 March 2012 (online)

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Zusammenfassung

Bei vielen Patienten, die auf einer Intensivstation versterben, wurde eine Therapiebegrenzung angewendet. Die Entscheidung, ob und wie die intensivmedizinische Therapie begrenzt wird, ist abhängig von der Art der Erkrankung, ihrem Verlauf und der vermuteten Prognose sowie vom aktuell erklärten, vorausverfügten oder vermuteten Willen des Patienten. Ist der Patient nicht einwilligungsfähig, so kann er durch einen Vorsorgebevollmächtigen oder Betreuer vertreten werden.

Ein primärer Verzicht auf intensivmedizinische Maßnahmen ist sinnvoll bei Patienten, die sich im Endstadium eines irreversiblen progredienten Leidens befinden, oder wenn der Patient intensivmedizinische Maßnahmen explizit ablehnt.

Ein Einfrieren der Therapie ist sinnvoll bei schwer kranken Patienten, deren Prognose durch ein zusätzliches Problem voraussichtlich infaust würde.

Das Beenden der Intensivtherapie, d.h. eine Therapiezieländerung auf palliative Maßnahmen, wird erwogen, wenn eine intensivmedizinische Therapie nicht mehr indiziert ist, weil die klinische Situation des Patienten sich als hoffnungslos darstellt.

Die Entscheidung über eine Therapiebegrenzung erfolgt im Behandlungsteam und im Konsens mit dem Patienten bzw. seinen Angehörigen. Sie muss dokumentiert werden.

Abstract

End-of-life decisions (EOLD) are frequently used in patients who die in the intensive care unit. The decision to limit life support and the extent of limitation depends on the nature of the disease, its progress and the presumed prognosis and, equally important, the patient's preferences. These preferences should be stated by the patient if he or she is able to do so. If not, the patient's assumed will can be elicited by using written advance directives or with the help of surrogate decision makers.

Primarily withholding life-sustaining treatment is reasonable in patients who present with an endstage, irreversibly progressive disease or if the patient explicitly rejects intensive care treatment.

Limiting the extent of intensive care medicine by withholding specific procedures (e.g. resuscitation) should be discussed in critically ill patients whose prognosis would become futile with an additional serious medical problem.

Withdrawing life-sustaining treatment and changing to palliative care should be considered if intensive care medicine is futile because of the severity of the patient's condition.

It is vital to find an interdisciplinary consensus about EOLD within the medical team as well as with the patient/surrogate decision maker. The agreement is documented in the patient's chart.

Kernaussagen

  • Therapiebegrenzungen werden auf Intensivstationen häufig vorgenommen.

  • Voraussetzung für eine Therapiebegrenzung ist die fehlende Indikation für eine Behandlung und /oder die Ablehnung einer Therapie durch den Patienten (dessen Bevollmächtigten / Betreuer).

  • Formen der Therapiebegrenzung sind:

    • Verzicht auf Intensivtherapie

    • Einfrieren (keine Ausweitung der Therapie)

    • Beenden = Therapiezieländerung (Einstellen intensivmedizinischer Maßnahmen aber palliative Therapie)

  • Therapiebegrenzungen müssen regelmäßig reevaluiert werden und können sowohl erweitert als auch wieder zurückgenommen werden.

  • Eine Patientenverfügung muss schriftlich erteilt sein. Sie trifft in vielen Fällen nicht genau die aktuelle Situation des Patienten.

  • Vorsorgevollmacht und Betreuung dienen dem gleichen Zweck: Sie sollen bewirken, dass die Interessen des Patienten im Falle seiner Einwilligungsunfähigkeit vertreten werden.

  • Eine Betreuung sollte eingerichtet werden, wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt oder wenn diese nicht ausreicht.

  • Die Entscheidung über eine Therapiebegrenzung wird vom behandelnden Ärzteteam in Übereinstimmung mit dem Patienten getroffen. Ist der Patient nicht entscheidungsfähig, so wird sein mutmaßlicher Wille von seinem Vorsorgebevollmächtigten / Betreuer und ihm nahestehenden Personen eruiert und vertreten. Diese Absprachen müssen in der Patientenakte dokumentiert werden.

Ergänzendes Material