Zusammenfassung
Bei monochorialen Zwillingsschwangerschaften ist die perinatale Mortalität um das 3–5-fache gegenüber dichorialen Zwillingsschwangerschaften erhöht. Dies erklärt sich unter anderem durch häufigere Frühgeburtlichkeit etwa im Rahmen von Gestosen, jedoch auch zum Teil durch das fetofetale Transfusionssyndrom (FFTS). Durch unidirektionalen Blutaustausch über plazentare Anastomosen kommt es im Verlauf zu Wachstumsdifferenzen bis über 20% mit oder ohne ein Oligohydramnion des einen (Donor) und ein Polyhydramnion des anderen Zwillings (Akzeptor). Lewi et al. konnten in einer Studie mit 202 monochorialen Gemini-Schwangerschaften in 9% ein schweres FFTS nachweisen. Unbehandelt weist das FFTS Mortalitätsraten bis zu 90% auf. Neben der chronischen Verlaufsform wurde bisher nur wenig über die akut perinatal verlaufende Form des FFTS berichtet. Sie zeigt sich erst postnatal durch Anämie und Hypovolämie beim einen und Polyglobulie beim anderen Zwilling. Die Anämie wurde hierbei meist beim zweiten nach komplikationsloser Geburt des ersten Geminus beobachtet. Aufgrund des akuten Auftretens sind bisher keine Früherkennungsmaßnahmen bekannt. Es wird der Fall einer 30-jährigen Primigravida mit monochorialer diamnialer Geminigravidität beschrieben. Im Schwangerschaftsverlauf konnten keine Hinweise auf ein chronisches FFTS festgestellt werden. Mit 37 + 1 SSW erfolgte nach Risikoaufklärung die Geburtseinleitung mit Minprostin-Gel® bei Schädellage der beiden Feten. Der erste Geminus zeigte neben einem suspekten Cardiotokogramm (CTG) in der Austreibungsperiode postnatal das Bild eines Volumenmangelschocks bei APGAR Werten von 2/7/8. Bei klinischem Verdacht auf ein akutes fetofetales Transfusionssyndrom und einem Hämoglobinwert von 13,7 g/dl erfolgte die Notfalltransfusion von 20 ml/kg Körpergewicht eines Erythrozytenkonzentrates beim ersten Geminus. Der Hämoglobinwert nach Transfusion betrug 15,2 g/dl bei einem Hämatokrit von 42%. Beim zweiten Geminus wurde ein APGAR von 10/10/10 sowie ein hochnormaler Hämoglobinwert von 19,6 g/dl festgestellt. Das Geburtsgewicht differierte lediglich um 10,4%. Das hier akut aufgetretene fetofetale Transfusionssyndrom mit Manifestation von Anämie und Volumenmangelschock beim erstgeborenen Geminus sollte bei der Differenzialdiagnose spontan entbundener monochorialer Gemini Berücksichtigung finden, da die rechtzeitige Erythrozyten-Transfusion entscheidend für Morbidität und Mortalität ist.
Abstract
The perinatal morbidity and mortality risk in monochorionic twin pregnancies are 3–5-fold increased compared to those of dichorionic twin pregnancies. Partially, this is due to the higher rate of preterm delivery but also to the twin-to-twin transfusion syndrome (TTTS). Caused by unidirectional blood flow via placental anastomoses, the TTTS leads to weight differences of more than 20% between monochorial twins. The blood donor often shows oligohydramnios, whereas the recipient shows polyhydramnios. Lewi et al. demonstrated, in a study with 202 monochorionic twin pregnancies, a 9% rate of severe TTTS. The mortality of this complication is about 90% when untreated. In contrast to the chronic TTTS, little is known about the acute intrapartal one, which is characterised by anaemia and hypovolaemia of the donor and polyglobulia of the recipient without significant weight differences between the two. In most cases, anaemia occurred after normal delivery of the first twin. Still, there are no means or signs for early detection. We describe the case of a 30-year-old primigravida with a monochorionic diamniotic twin pregnancy. During pregnancy, no evidence of TTTS could be detected. At 37 + 1 weeks gestation labour was induced with prostaglandin-containing gel. Both foetuses showed cephalic presentation. The CTG of the first twin showed a conspicuous heart rate. After labour the first twin presented with anaemia and hypovolaemic shock, the APGAR was 2/7/8. The infant’s haemoglobin was 13.7 g/dL. After delivery, the second twin with APGAR 10/10/10 showed a haemoglobin of 19.6 g/dL, which is in the upper normal range. Their birth weights differed by merely 10.4%. Acute TTTS is frequently characterised by anaemia and hypovolaemia of the second twin. In our case of a monochorionic twin delivery with acute TTTS the donor was born first. Early diagnosis and neonatal intervention is essential for reducing postnatal morbidity and mortality.
Schlüsselwörter
fetofetales Transfusionssyndrom - monochoriale Gemini - Entbindung - Anämie
Key words
twin-to-twin transfusion syndrome - monochorionic twins - delivery - anaemia