Krankenhaushygiene up2date 2012; 07(02): 74-75
DOI: 10.1055/s-0032-1310041
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Was bringt eine hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentration?

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Publication Date:
27 June 2012 (online)

Die klinische Bedeutung einer erhöhten inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (z. B. FiO2 80 %) hinsichtlich der Vermeidung postoperativer Wundinfektionen galt angesichts unterschiedlicher Studienergebnisse bislang als unklar. Dies nahm die Arbeitsgruppe um Wu von der Johns Hopkins University in Baltimore zum Anlass einer Metaanalyse. Nach Suche in den einschlägigen Datenbanken wurden randomisierte, kontrollierte Studien mit klarer Definition von hoher und niedriger inspiratorischer Sauerstoffkonzentration und einer klar dokumentierten Erhebung der postoperativen Wundinfektionen in die Analyse aufgenommen. Für die Ermittlung der gepoolten Odds Ratios (OR) wurde die Cochrane Collaboration’s RevMan 5.0.25-Software verwendet.

Es wurden 7 Studien mit insgesamt 2728 Patienten eingeschlossen. 1358 Patienten befanden sich in der Gruppe mit hoher inspiratorischer Sauerstoffkonzentration während 1370 Patienten in den Kontrollgruppen behandelt wurden. Die gepoolte Rate postoperativer Wundinfektionen lag bei 15,5 % in der Therapiegruppe vs. 17,5 % in der Kontrollgruppe mit einer OR von 0,85 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,52 – 1,38, p = 0,51).

Auch bei Durchführung einer Sensitivitätsanalyse bei der jeweils die größte Studie, die Studie mit der schlechtesten Qualität, Studien mit Lachgas oder Studien mit Vorgaben zum Flüssigkeitsmanagment ausgeschlossen wurden, ergab sich kein statistisch signifikanter Vorteil der Sauerstofftherapie. Lediglich in den Untergruppen reine Allgemeinanästhesie bzw. Kolorektale Chirurgie fand sich ein Benefit der Sauerstofftherapie (OR 0,66; KI 0,46 – 0,93, p = 0,02 bzw. OR 0,48; KI 0,32 – 0,71, p = 0,0003).

Die Autoren diskutieren neben den methodischen Problemen der Metaanalyse auch die in den Studien willkürlich gewählten Sauerstoffkonzentration von 30 % vs. 80 % als mögliche Einschränkung der Relevanz ihrer Ergebnisse für die klinische Praxis.

Fazit: Die vorliegende Metaanalyse zeigt keinen generalisierbaren, durchschlagenden Effekt einer hohen inspiratorischen Sauerstoffkonzentration auf die Rate postoperativer Wundinfektionen. Die in den analysierten Studien verwendeten Sauerstoffkonzentrationen entsprechen auch nicht der klinischen Realität einer zielgerichteten Titration der FiO2, etwa zum Erhalt einer für den Patienten „normalen“ Sauerstoffsättigung, welche die eigentliche Vergleichsgröße gegenüber einer präventiv-therapeutischen Anwendung (hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentration) sein sollte. Dies erklärt evtl. auch die in den Subgruppen reine Allgemeinanästhesie und Kolorektalchirurgie beobachtete Abnahme der postoperativen Wundinfektionen, die vielleicht weniger auf eine „prophylaktisch-therapeutische“ Wirkung der hohen als auf eine negative Wirkung einer relativen Hypoxämie in den Kontrollgruppen zurückzuführen ist. Ähnlich enttäuschende Ergebnisse haben sich auch bei weiteren Studien der initial zunächst erfolgversprechend aussehenden Beeinflussung postoperativer Übelkeit und Erbrechens durch hohe Sauerstoffkonzentrationen ergeben. Angesichts der möglichen Nebenwirkungen (Atelektasenbildung und damit möglicherweise gesteigertes Pneumonierisiko) kann eine Anwendung dieses Präventionskonzeptes außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen werden, sondern dem Erhalt der normalen Oxygenierung als Teil einer anzustrebenden intraoperativen Homöostase sollte auch hinsichtlich der Infektionsprävention oberste Priorität eingeräumt werden.

PD Dr. Sebastian Schulz-Stübner, Freiburg