Zusammenfassung
Drogenabhängige Gefangenen machen einen Anteil von etwa 30–40% an der Gesamtpopulation der Gefangenen in Deutschland aus. Auch andere substanzbezogene Störungen sind in Haft stark überrepräsentiert (v. a. bzgl. Alkohol und Tabak). Während in Freiheit in den letzten 30 Jahren erhebliche Fortschritte in der Suchtmedizin und den psycho-sozialen Interventionen gemacht worden sind, lassen sich diese Entwicklungen in Haft trotz weiter Verbreitung abhängiger und missbräuchlicher Konsummuster nicht in gleicher Weise wiederfinden. Während in Freiheit eine erhebliche Diversifizierung des Hilfesystems stattgefunden hat, setzt man im Strafvollzug immer noch vorwiegend auf die zentrale Strategie der Abstinenz. Insbesondere der Zugang zu bewährten und anerkannten Hilfe- und Behandlungsmethoden in Haft ist im Vergleich zur Situation in Freiheit in manchen Bereichen der Suchtkrankenversorgung völlig unzulänglich (v. a. Pharmakotherapie, Infektionsprophylaxe). Evidenz-basierte Kernstrategien zur Behandlung der Opioidabhängigkeit (wie Substitutionsbehandlung) werden in vielen Haftanstalten entweder erst mit einem Zeitverzug von vielen Jahren eingeführt, sind nicht flächendeckend, oder in manchen Bundesländern gar nicht existent. Dies führt zu Behandlungsdiskontinuitäten mit z.T. erheblichen Auswirkungen auf den gesundheitlichen Status in und nach der Haft. Konsequenzen dieser strukturellen gesundheitlichen Ungleichheit werden diskutiert.
Abstract
Approximately 30–40% of all prisoners in Germany are drug dependent. Also other substance-related disorders are overrepresented (e. g. alcohol and tobacco). While in the community substantial progress in addiction medicine and psycho-social interventions has been achieved in the last 30 years, this development cannot be found in the same way in prisons, despite wide prevalence of dependent and misusing consumption patterns. While in the community a diversification of drug services has been taken place, the main strategy in prisons remains abstinence oriented. Especially the access to proven and acknowledged support and treatment methods in custody is, compared to the situation in the community, in some areas of drug services completely insufficient (e. g. pharmacotherapy and infections prophylaxis). Evidence-based key strategies for the treatment of opioid dependence (like opioid substitution treatment) have been introduced in many prisons either with a time lag of several years, are not covering all institutions o rare not existent in some states (Länder). This leads to treatment discontinuities with partly severe consequences on the health status within the prison and on release. Consequences of this structural health inequality are being discussed.
Schlüsselwörter
Opioide - Alkohol - HIV - HCV - Gefängnis - Opioidsubstitutionsbehandlung - Infektionsprophylaxe
Key words
opioids - alcohol - HIV - HCV - prison - opioid substitution treatment - infection prophylaxis