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DOI: 10.1055/s-0032-1313313
Für Sie gefragt – Substitution und Recht – Neues aus der Rechtsprechung
Publication History
Publication Date:
14 May 2012 (online)
? Wir sind eine Drogenberatungsstelle, die psychosoziale Begleitung für substituierte Patienten anbietet. Wir arbeiten im Verbund mit substituierenden Ärzten eng zusammen und sind durch Qualitätszirkel über den Behandlungsvertrag von der Schweigepflicht entbunden. Bei einer schwangeren Klientin mit Nähe zur Szene schätzten wir einen Wechsel aus der Reha in eine Substitutionsbehandlung als gefährlich ein. Unsere Frage: Dürfen wir Ärzte, die nicht in einem Qualitätszirkel sind und mit denen keine Einzelvereinbarung besteht, davon in Kenntnis setzen oder brechen wir mit dieser Information unsere gesetzliche Schweigepflicht?
Dies ist eine komplexe Problematik. Grundsätzlich sind Sie nur berechtigt, Auskünfte zu erteilen, soweit eine Schweigepflichtsentbindungserklärung vorliegt. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch eine Ausnahme: Wenn der Bruch der Schweigepflicht zum Schutze von höherwertigen Rechtsgütern vorgenommen wird, kann dieses im Einzelfall gerechtfertigt sein. Dies könnte im Einzelfall dann so sein, wenn eine ernsthafte Gefahr für Leib oder Leben der Mutter oder des ungeboreneKindes besteht. Auf jeden Fall ist es in diesem Zusammenhang zwingend erforderlich, dass diese Zwangslage ausreichend schriftlich festgehalten wird.
? In meiner Praxis bekommen alle Take-Home-Patienten ihr Rezept an einem bestimmten Wochentag. Sie gehen dann in die Apotheke, um das Rezept einzulösen. Es gibt aber an Feiertagen Probleme, da die Apotheken nicht geöffnet haben. Außerdem ist es für berufstätige Patienten sehr beschwerlich und zeitaufwendig, erst in die Arztpraxis und dann in die Apotheke zu gehen. Ich hatte deshalb mit dem Apotheker vereinbart, dass er mir die Wochenmedikation für Take-Home-Patienten vor dem Vergabetag bringt und ich ihm dann die Rezepte gebe. Die Wochenmedikation ist so verpackt, dass in einem verschlossenen, eindeutig beschrifteten Behältnis das Methadon für einen Patienten enthalten ist. Ich kann so den Patienten ihre Medikation selbst aushändigen und das Trinken einer Dosis bei dieser Gelegenheit überwachen. Nun schreibt mir das Regierungspräsidium, dass diese Regelung nicht gesetzeskonform sei. Wie ist die Rechtslage? Welche Lösung schlagen Sie vor?
Diese Probleme sind bekannt. Hier hilft prinzipiell nur eine Einigung mit der Apotheke oder die Anpassung des Verschreibungsmusters an die besonderen kalendarischen Voraussetzungen. Unserer Ansicht nach kann die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise dann korrekt sein, wenn Sie beide (Arzt und Apotheker) sich einzeln und personalisiert vom Patienten beauftragen lassen, das verschriebene Substitut von der Apotheke in die Arztpraxis zur Abgabe liefern zu lassen. Sie sollten hierbei außerdem einen plausiblen und nachvollziehbaren Grund nennen können, z. B. das der Patient es selber aus medizinischen Gründen nicht kann.
? Ein Patient gibt sein Take-Home-Rezept in einer Apotheke ab. Diese fertigt anschließend die entspechenden Rezepturen an. Darf die Apotheke die Take-Home-Substitutionsmittel dem Patienten durch einen Apothekenmitarbeiter zustellen lassen? Wenn ja, wohin? Nach Hause oder zur "Vergabestunde" in die Arztpraxis, wenn sichergestellt ist, dass die Take-Home-Fläschchen dort vom Apothekenmitarbeiter persönlich und nicht durch die Arzthelferin an den Patienten übergeben werden.
Wenn der Patient Take-Home-fähig ist, dann besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass die entsprechende Rezeptur auch nach Hause gebracht wird. Eine Übergabe in der "Vergabestunde" des Arztes ist nicht erforderlich, da der Patient eigenverantwortlich über den Zeitpunkt der Einnahme entscheidet. Entsprechendes ergibt sich aus § 5 Abs. 8 Betäubungsmittel-Verschreibungsordnung (BtMVV).
? Wie viele Patienten darf ein Substitutionsarzt behanden?
Diese Frage ist differenziert zu beantworten: Wenn der Arzt die Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 BtMVV erfüllt, dann gibt es rein betäubungsmittelrechtlich keinerlei Beschränkungen. Innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung ist aufgrund der Regelungen in Anlage I, Nr. 2: "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" zu beachten, dass es für diese Behandlung einer Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) bedarf. Sie wird in § 10 Abs. 4 auf 50 Patienten beschränkt.
? Ich bin Ärztin in einer Klinik und behandele substituierte Patienten. Alle rechtlichen Voraussetzungen sind in unserer Einrichtung vorhanden und gegeben (Betäubungsmittel-Rezepte für stationäre Einrichtungen, Tresor, Vergabe durch geschultes Personal, eigene Fachkunde etc.). Heute erreichte mich notfallmäßig ein Anruf aus einer anderen Klinik, die erstmals – und offenbar unvorbereitet – einem substituierten Patienten für übermorgen eine Aufnahmezusage gegeben haben. Es gibt keine Rezepte, keinen Facharzt und keine Erfahrung. Der ambulant vorher substituierende Arzt lehnt die Weiterbehandlung ab, wenn der Patient jetzt dort stationär sein wird. Kann oder darf ich aushelfen? Kann ich mit den Rezepten meiner Klinik Substitut bestellen, mir den Patienten dort ansehen und dann die Substitution dort übernehmen, sofern vor Ort ausreichend geschultes Pflegepersonal vorhanden ist oder wir einen externen Pflegedienst für die Vergabe finden?
Die Antwort beschränkt sich ausschließlich auf eine betäubungsrechtliche Betrachtungsweise. Die in diesem Zusammenhang noch zusätzlich zu berücksichtigenden arbeitsrechtlichen Fragen bleiben gleichfalls außer Betracht. Grundsätzlich darf eine Substitutionsbehandlung auch außerhalb der eigenen Klinik betrieben werden. Es gibt keinerlei Begrenzungen für diese Tätigkeit, soweit nicht die Anzahl der zu betreuenden Patienten mengenmäßig überschritten wird. Betäubungsmittelrechtlich ist es auch zulässig, die Rezepte der Klinik zu nutzen, sofern die Klinikverwaltung damit einverstanden ist.
? Eine Frage zur Verschreibung von Methaddict-Tabletten, die zur Vergabe in der Praxis bestimmt sind. In Ihrem Buch schreiben Sie, dass eine Reichdauer des Subitu-tionsmittles auf das Rezept soll. So ist nun ein Streitgespräch mit dem Arzt daraus entstanden.
Die BtMVV gibt die konkreten Anforderungen für die Ausstellung eines Betäubungsmittel-Rezepts in § 9 Abs. 1 zur Substitution vor: " 4. Menge des verschriebenen Arzneimittels in Gramm oder Milliliter, Stückzahl der abgeteilten Form; 5. Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe oder im Falle, dass dem Patienten eine schriftliche Gebrauchsanweisung übergeben wurde, der Vermerk Gemäß schriftlicher Anweisung; im Falle des § 5 Abs. 7 zusätzlich die Reichdauer des Substitutionsmittels in Tagen."
Dr. Bernd Weber, Kassel
Sie haben selbst eine Frage? Gerne können Sie diese unter www.500fragen.de stellen. Sie wollen mehr Fragen und Antworten lesen? Dann stöbern Sie doch mal auf der Homepage www.500fragen.de oder im Buch "Substitution und Recht" (ISBN 978-3-609-70467-8) des ecomed-Verlags.