Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2012; 47(5): 328-334
DOI: 10.1055/s-0032-1313571
Fachwissen
Anästhesiologie Topthema: Nervenschäden bei Regionalanästhesie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nervenschäden bei Regionalanästhesie – Nervenschäden bei peripheren Blockaden: Pathophysiologie und Ursachen

Nerve injury due to peripheral nerve blocks: Pathophysiology and aetiology
Thorsten Steinfeldt
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Publikationsdatum:
24. Mai 2012 (online)

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Zusammenfassung

Irreversible Nervenschäden nach peripheren Regionalanästhesieverfahren treten sehr selten auf (0,03%), reversible neurologische Defizite hingegen häufiger (3–8%). Die Ursachen für deren Entstehung sind multifaktoriell. Neben der Patientenmorbidität – wie neurologische Vorerkrankungen, Diabetes mellitus etc. – müssen auch anästhesieunabhängige Faktoren wie der chirurgische Eingriff (Lagerung, Tourniquet etc.) als Ursachen oder Co-Faktoren berücksichtigt werden. Auch die Pathophysiologie des Nerventraumas birgt durch die obligat auftretende traumaassoziierte Neuroinflammation eine weitere wichtige Dynamik für die Entwicklung und die Remission des Nervenschadens. Nadel-Nerv-Kontakte bzw. Perforationen und zytotoxische Effekte der Lokalanästhetika können das Auftreten neurologischer Defizite maßgeblich beeinflussen, weshalb die Anwendung der Nervenstimulations- und/oder der Ultraschalltechnik sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit Lokalanästhetika zu empfehlen ist.

Abstract

Permanent nerve injury as a complication of peripheral regional anaesthesia is fortunately rare with an estimated incidence of 0,03%. However, transient neurological symptoms are more frequent with an occurrence of 3–8%. The pathophysiology and etiology of nerve injury depends on a number of different factors. The needle-nerve trauma, cytotoxicity of local anaesthetics, patient factors (i.e. morbidity) and factors which are related to surgical interventions should be considered. Regarding pathophysiology, trauma-related inflammation should be acknowledged as an important interference during nerve recovery. Needle-nerve contacts, nerve perforation and local cytotoxicity of local anaesthetics should be reduced to a minimum by application of nerve stimulation, ultrasound and an adequate dosage of local anaesthetics with less locotoxicity.

Kernaussagen

  • Perioperativ neu aufgetretene Nervenschäden müssen hinsichtlich ihrer Ursache gründlich untersucht werden. Denn anästhesieunabhängige Faktoren wie Lagerung, Tourniquet, Operation und Infektion stellen ebenso entscheidende Ursachen dar wie das Regionalanästhesieverfahren selbst.

  • Jede Form einer Nerventraumatisierung – sei es mechanisch oder chemisch –mündet in eine traumaassoziierte Inflammation, die wiederum zytotoxisch wirken und neuropathische Symptome auslösen könnte.

  • Untersuchungen am Großtier widerlegen experimentelle Daten an Kleintieren, wonach die Kanülenkonfiguration im Falle einer Nadel-Nerv-Perforation von Bedeutung für das Ausmaß einer Nervenschädigung sei.

  • Bei Verwendung großkalibriger Kanülen (19 G) können im Rahmen eines Perforationstraumas massive Einblutungen und Myelinschäden hervorgerufen werden. Dahingegen war nach Perforation mit dünnen Kanülen (22–24 G) nur eine isolierte Inflammation ohne strukturelle Schäden am Nerven festzustellen.

  • Isolierte Nadel-Nerv-Kontakte ohne folgende Perforation können eine aseptische Inflammation auslösen. Eine zusätzliche Dehnung von Nerven durch Nadel-Vorschub kann zu Myelinschäden und intraneuralen Einblutungen führen.

  • Bei Verwendung großer Kanülen – z. B. bei der Anlage von Katheterverfahren zur kontinuierlichen Analgesie – sollten Nadel-Nerv-Kontakte sowie die Nervenperforation durch Verwendung der Stimulations- und / oder der Ultraschalltechnik ausgeschlossen werden.

  • Es kann eine aufsteigende Zytotoxizität für die Lokalanästhetika Mepivacain < Lidocain < Ropivacain < Bupivacain angenommen werden. Des Weiteren korreliert die Toxizität mit der Konzentration, der Lipophilie und der Applikationsdauer (Bupivacain).

  • Bei den Lokalanästhetika besteht keine Abhängigkeit der lokalen Toxizität von der Stoffgruppe wie Ester- oder Amidtyp.

  • Experimentelle Studien zur intraneuralen Injektion von Lokalanästhetika beschreiben histologische Veränderungen im Sinne einer Schädigung. Valide funktionelle Daten zu deren klinischem Korrelat konnten bisher nicht erhoben werden.

  • Die intraneurale Injektion als Kombinationstrauma einer Punktion und einer anschließenden Injektion einer zytotoxischen Substanz sollte vermieden werden.

Ergänzendes Material