veterinär spiegel 2012; 22(2): 50
DOI: 10.1055/s-0032-1314960
Hinter dem Spiegel …
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart · New York

Editorial

Stefan Gabriel
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Publication Date:
19 June 2012 (online)

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

„Wenn ich einmal reich wär'“ ist der berühmte Stoßseufzer von Tevje in Anatevka. Er weiß genau, wie irreal sein Problem ist, weil er den Reichtum mit seiner Hände Arbeit im Rest seines Lebens nicht erreichen kann.

Mal ehrlich: Wir alle sind doch irgendwann mal in die Selbstständigkeit gegangen, weil wir uns Unabhängigkeit, Entscheidungsfreiheit und finanzielle Unabhängigkeit erträumt haben. Die eigene Chefin oder der eigene Chef – das sollte es sein.

Und was haben wir heute: wir sind die Sklaven unserer selbst gewählten Freiheit geworden. Das anspruchsvolle Klientel, Zeitnot und Kostendruck diktieren unser Handeln, und die Idee mit dem Reichtum hat sich eher aufs Lottospielen verschoben. Ich kenne sehr viele deutsche Tierärzte. Keiner davon ist reich geworden, wenige haben es zu Wohlstand gebracht, aber die überwiegende Mehrheit hat erhebliche existenzielle Sorgen. Das bestätigen auch die Statistiken der betriebswirtschaftlichen Analysen.

Warum ist das so? Warum sorgen sich die allermeisten Tierärzte offenbar mehr um den Geldbeutel der Tierhalter als um die Gesundheit ihres eigenen Betriebs und das Einkommen für ihre eigene Familie? Es ist NICHT anrüchig, mit seiner Leistung Geld zu verdienen!

Derzeit hofft die Tierärzteschaft auf eine rasche Novellierung der GOT. Inhaltlich soll sie logischer und leichter anzuwenden sein, die Einzelpreise sollen der Kostensteigerung angepasst werden. Nur: wir alle wissen jetzt schon, dass immer noch in zu vielen Praxen die leistungsgerechte Abrechnung ignoriert wird. Da werden Einzelleistungen und Material überhaupt nicht erfasst, obwohl die EDV dafür vorhanden ist, Pauschalpreise gemacht, Rechnungssummen abgerundet oder erst am Sankt-Nimmerleins-Tag geschrieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob jetzt mit der alten oder demnächst mit einer neuen GOT: berechnen Sie Ihre erbrachten Leistungen nach den Ihnen zustehenden Sätzen, rechnen Sie zeitnah ab und schreiben Sie dem Kunden auch auf die Rechnung, was und weshalb Sie was gemacht haben, damit er die Rechnungssumme versteht. Haben Sie keine Angst davor, der aufgeklärte Kunde versteht das. Wenn Sie Ihre Leistungen korrekt berechnen, ist auch der Urlaub zur Erholung mit Ihrer Familie drin.

Ich wünsche Ihnen von Herzen gute Erholung, einen sehr schönen Sommer, wir lesen uns im Herbst wieder – gut erholt hoffentlich!

Ihr

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Stefan Gabriel