Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72(7): 586-587
DOI: 10.1055/s-0032-1314972
Geschichte der Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Instrumente und ihre Namensgeber. Geburtszange nach Paul Zweifel (1848–1927)

Matthias David
,
Andreas D. Ebert
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Juli 2012 (online)

Paul Zweifel ([Abb. 1]) wurde am 30. Juni 1848 in Höngg bei Zürich als Sohn eines praktischen Arztes in eine Familie hineingeboren, deren männliche Vorfahren über Jahrhunderte entweder Theologen oder Ärzte stellten. Nach einem freiwilligen Einsatz als Militärarzt im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 begann er mit 24 Jahren seine Laufbahn an der von Adolf Gusserow (1836–1906) geleiteten Klinik am Kantonspital in Zürich, bei dem er 1872 seinen Doktortitel mit einer Dissertation über Ovariotomie erwarb. 1873 folgte er seinem Chef an die neu gegründete Reichs-Universität Straßburg, an der er sich 1874 habilitierte. Bereits 1876 wurde der 28-jährige Zweifel als Ordinarius nach Erlangen berufen. Zehn Jahre später folgte er dem Ruf an die Universität Leipzig, an der er als ordentlicher Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie und Direktor der Universitätsfrauenklinik mit Hebammenschule direkter Nachfolger von Carl Credé (1819–1892) wurde [1]. In die ersten Jahre des Leipziger Direktorats fällt der Neubau des sog. Trierʼschen Instituts (1892) in der Stephanstraße, das damals als Musterbau einer modernen Universitätsfrauenklinik galt und bis vor Kurzem noch als Klinikgebäude diente [2].

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Abb. 1 Porträt von Paul Zweifel (1848–1927) mit Autograph (Quelle: [1]).

Aufgrund seiner akademischen Aktivitäten und Verdienste wurde Paul Zweifel für die Amtsperiode 1900–1901 zum Rektor der Universität Leipzig gewählt. Außerdem wurde ihm der Titel „Sächsischer Geheimrat“ verliehen [1]. Nach 34 Jahren ununterbrochener Klinikleitung ließ sich Zweifel im Herbst 1921 emeritieren. Er starb am 13. 8. 1927 kurz nach einer Reise in die Schweiz an den Folgen einer Embolie [3].

Zweifel hat sich sowohl mit gynäkologisch-operativen als auch mit geburtshilflichen Themen intensiv beschäftigt. Sein Publikationsverzeichnis umfasst über 160 Artikel, sodass sein akademischer Nachfolger Walter Stoeckel (1871–1961) meinte: „Er hat mitgebaut an dem Fundament der operativen Gynäkologie, er wurde der erfolgreichste Myomoperateur Deutschlands in den neunziger Jahren, und er hat in der operativen Bekämpfung des Uteruskarzinoms Heilerfolge erzielt, wie sie bisher überhaupt noch niemand aufzuweisen gehabt hat.“ [2]. Als bedeutend sind aber auch Zweifels Arbeiten über die Sauerstoffversorgung des Feten, die Eklampsie, den Nachweis der Wirkung von Chloroform auf den Fetus, das Kindbettfieber, die Beckenmessung sowie die Geburt bei engem Becken einzustufen, weshalb Ludwig 2001 rückblickend schrieb: „… mit gutem Recht kann man Zweifel als den Begründer der perinatologischen Forschung ansehen …“ [4]. Paul Zweifel gebührt auch das (vorübergehende) Verdienst, die Symphysiotomie in Deutschland eingeführt zu haben [1].

Schon in seinem „umfangreich und detailliert geschriebenen Lehrbuch der Geburtshilfe“ [5] widmet sich Zweifel auf 45 Seiten dem geburtshilflichen Forceps und der Zangenentbindung von allen Seiten ([Abb. 2]). Noch bespricht er hier nur den Aufbau und die Anwendung von Geburtszangen anderer Autoren. Einige Jahre später entwickelte bzw. weiterentwickelte er selbst ein vielversprechendes Forceps-Modell ([Abb. 3]). Dieses Zangenmodell, deren Löffel gefenstert sind, weist eine Kopf- sowie eine geringe Beckenkrümmung auf. Auffällig ist das Schloss. Beide Zangenblätter haben hier eine längliche Öffnung. Die Löffel können in verschiedenen Positionen mit einer breiten Schraube fixiert werden, sodass man korrekt von einer „Gleit-Achsenschloss-Kombination“ sprechen kann. Mithilfe eines längeren Metallhakens, der unterhalb des Schlosses in einer zusätzlichen Öffnung montiert wurde, kann man die Zweifel-Zange zur Achsenzugzange erweitern ([Abb. 4]). Die Geburtszangen mit Achsenzugvorrichtung gehen historisch auf Tarnier (1828–1897) zurück und sollten den Zug in Richtung der Beckeneingangsachse bei hochstehendem Kopf garantieren [6]. Sie haben heute keine praktische Bedeutung mehr.

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Abb. 2 Lagerung der Frau zur Zangenoperation (Quelle: [5]).
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Abb. 3 Zweifel-Zange aus der geburtshilflichen Sammlung der Charité (Quelle: Charité-Fotoabteilung).
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Abb. 4 Zweifel-Forceps mit zusätzlichem Zughaken (Quelle: [8]).

Wahrscheinlich wurden in den vergangenen etwa 350 Jahren mehrere 100 verschiedene geburtshilfliche Zangenmodelle konstruiert, wobei viele lediglich als „Design-Modifikationen“ vorhandener Zangen („Modifikationen zum Thema“) anzusehen sind. Nur wenige „Neuentwicklungen“ stellten signifikante Verbesserungen oder wirkliche Neuerungen dar [7].

In den letzten 10–15 Jahren hat die vaginal-operative Entbindung mithilfe der Geburtszange dramatisch an Bedeutung verloren. In der deutschen Geburtsmedizin wird fast nur noch die Vakuumglocke zur operativen Geburtsbeendigung benutzt, eine „Zangengeburt“ ist heute hingegen eine Rarität. Der erfahrene Geburtshelfer sollte jedoch unabhängig von seiner „Schule“ beide Instrumente beherrschen, denn es treten auch in der heutigen Geburtshilfe durchaus seltene Situationen auf, in denen z. B. eine Zweifel- oder eine andere Geburtszange angewendet werden muss.

 
  • Literatur

  • 1 Schweitzer B. Nachruf Paul Zweifel. Zentralbl Gynäkol 1927; 51: 2585-2593
  • 2 Alexander H, Hommel A. Die Universitätsfrauenklinik Leipzig (Triersches Institut) von den Anfängen im Jahre 1810 bis 1945. Zentralbl Gynäkol 2000; 122: 507-513
  • 3 Buess H. Zum 100. Geburtstag des Zürcher Geburtshelfers Paul Zweifel (1848–1927). Schweiz Med Wochenschr 1948; 78: 700-702
  • 4 Ludwig H. Bumm, Zweifel, Kubli und andere – Beispiele der akademischen Verflechtung zwischen der Schweiz und Deutschland. Gynäkol Geburtshilfl Rundsch 2001; 41: 174-181
  • 5 Zweifel P. Lehrbuch der Geburtshülfe für Ärzte und Studirende. 2., vermehrte u. verb. Aufl. Stuttgart: F. Enke; 1889
  • 6 Schaller A. Instrumentarium obstetricum Viennense. Wien, München, Bern: W. Maudrich; 2002
  • 7 Bennedjema M, David M. Medizinhistorische und geburtshilfliche Anmerkungen zur Geburtszangensammlung der Charité. In: David M, Ebert AD, Hrsg. Geschichte der Berliner Universitäts-Frauenkliniken. Berlin, New York: De Gruyter; 2010
  • 8 Zweifel E. Ein neues Zangenmodell. Zentralbl Gynakol 1926; 50: 604-605