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DOI: 10.1055/s-0032-1315399
10 Mio. Bundesbürger leiden unter allergischer Rhinitis
Publication History
Publication Date:
12 October 2012 (online)
Über die gesundheitspolitische Bedeutung von Allergien wird weltweit gerätselt, da sie unter den Lebensbedingungen einer Industriegesellschaft, die mehr oder weniger global fest etabliert ist, an Häufigkeit zuzunehmen scheinen und gleichzeitig, insbesondere aufgrund der Polyvalenzen, für konventionelle Therapieansätze schwerer kontrollierbar werden. In der vielzitierten KiGSS-Studie (Kinder- und Jugendgesundheitssurvey 2003–2006) betrug die Lebenszeitprävalenz mindestens einer atopischen Erkrankung für 0–17-Jährige in Deutschland immerhin 22,9 %.
Obwohl sich deutliche Fortschritte bezüglich der Wirksamkeit und Verträglichkeit konventioneller Therapien wie Hyposensibilisierungen oder symptomatisch wirkender Antihistaminika feststellen lassen (Beitrag Christoph Grüber), scheint das Leiden in der breiten Bevölkerung weiter zuzunehmen. Dies betrifft nicht nur die lästige Rhinitis allergica, unter der mittlerweile etwa 10 Mio. Bundesbürger leiden, sondern nach übereinstimmender Meinung vieler Allergologen auch die bei uns nicht genau bekannte Häufigkeit ernsthafter Komplikationen wie anaphylaktischer Reaktionen bis hin zu Todesfällen. Ein unbedingt mit Meldungen zu unterstützendes Register hierzu (www.anaphylaxie-net.de) existiert erst seit wenigen Jahren. Die letzte ausführliche Gesundheitsberichtserstattung des Bundes zu Allergien datiert leider aus dem Jahre 2000 (www.gbe-bund.de).
Allergien sind eine Krankheitsgruppe, die wie kaum eine andere dem etwas abgegriffenen „ganzheitlichen“ Zugang Tor und Tür öffnet. Es kennzeichnet sie ja nicht nur das Fremde (állos [?λλος]: „anders, fremd, eigenartig“), sondern im zweiten Teil des Begriffs uns etwas Wohlvertrautes, nämlich die Reaktion (érgon [?ργον]): „das Werk, die Arbeit, die Reaktion“). Das bringt vom Verständnis der Mechanismen wie den Möglichkeiten der Therapie regulationsmedizinische Ansätze ins Spiel. Das Immunsystem ist in erster Linie von funktionellen Veränderungen geprägt, weniger von strukturellen. Es unterliegt somit einer Vielzahl von erkannten Randbedingungen – Genetik, Alter, Ernährung, Komorbiditäten, Medikamenten, Psychosomatik – wie auch derzeit weniger gesicherten – Klima, Umweltbelastungen – die grundsätzlich einer Modifikation durch Naturheilverfahren und Komplementärmedizin zugänglich sind. Dementsprechend breit ist das derzeit häufig genutzte Spektrum von Therapien, das wir mit diesem Schwerpunkt repräsentativ vorstellen möchten.
Diese hoffnungsvollen Ansätze dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir auch aufgrund großer Forschungsdefizite weit davon entfernt sind, einen Konsens über Prioritäten in der Therapie formulieren zu können. Bezüglich randomisierter Studien etwa bei der Rhinitis allergica hat vermutlich die Akupunktur derzeit die Nase vorn (Beitrag Miriam Ortiz). Für dermatologische Manifestationen lassen sich zu Recht auch eine ganze Reihe phytotherapeutischer Optionen angeben (Beitrag Petra Staubach). Im Expertenkonsens dürfen darüber hinaus altbewährte Verfahren wie die Eigenbluttherapie oder das Fasten nicht fehlen, die viel praktiziert, bislang in der Therapieforschung aber kaum beachtet werden (4 Fachleute). Apropos Forschung: Nur 1 % der derzeit immerhin mehr als 300 000 Zitationen in Pubmed zum Stichwort „allergy“ lassen sich durch die logische AND-Verbindung mit „complementary medicine“ verbinden. Hinter diesen Zitationen stecken nur in den wenigsten Fällen kontrollierte Studien. Dafür dürfte das Verhältnis vielleicht bei 1 : 50 bis 1 : 25 liegen, beim Publikumsinteresse läge die Relation dagegen sicherlich bei 9 : 1!
Es bleibt viel zu tun für die immer zahlreicheren forschenden Arbeitsgruppen! Aber auch für uns als zkm, die sich als Anspruch gestellt hat, ihre Leser in alltagswichtigen Dingen – dazu gehören die Allergien zweifellos – auf dem Laufenden zu halten. Nur Ihre Kritik an diesem Heft kann uns zu Besserem anspornen!