Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(3): 125
DOI: 10.1055/s-0032-1315409
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Tagungsbericht – Kinderpalliativtage in Hamburg

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Publication Date:
23 May 2012 (online)

Vom 23. bis 24. März hat das Kinder-Hospiz Sternenbrücke zum vierten Mal Fachleute an die Elbe geladen, um in Vorträgen, Gesprächsforen und Workshops das professionelle Netzwerk rund um Familien mit unheilbar erkrankten Kindern zu stärken. Dem Motto „Die Liebe zum Lernen ist der Weisheit verwandt“ (Konfuzius) sind rund 200 Teilnehmer und 30 Referenten aus dem ganzen Bundesgebiet gefolgt.

Immer gut frequentiert in den Pausen: Der Büchertisch im Foyer (Bild: Sternenbrücke).

Den Auftakt machte der Theologe Professor Dr. Fulbert Steffensky aus Luzern, der mit seinem Vortrag „Ganzheit im Fragment – Über den Umgang mit Niederlagen“ ein bewegendes Plädoyer für das Annehmen von Krankheit, Tod und Sterben hielt. In einer Gesellschaft, deren vornehmliches Streben Effektivität und Rentabiliät sei, habe gerade die Arbeit auf Palliativstationen und in Hospizen, wo es um Geduld, Stillefähigkeit, Warten, Lassen und Gelassenheit ginge, einen hohen Stellenwert. Am zweiten Veranstaltungstag hielt Manfred Gaspar, Psychoonkologe und Leiter der Psychosozialen Abteilung der Klinik Nordfriesland, einen Vortrag zu „Nur Mut – einfühlsam mit Sterbenden und ihren Angehörigen sprechen“. Beide, Stefansky als auch Gaspar, betonten aus ganz unterschiedlichen Perspektiven heraus die bedeutsame Rolle der Sprache in der Auseinandersetzung mit palliativen Fragestellungen. Da bei Gesprächen im palliativmedizinischen Alltag, die für den Patienten von Ängsten und Ungewissheiten bestimmt sind , viel schiefgehen kann, plädierte Gaspar für Unaufdringlichkeit, Bescheidenheit und Machtverzicht bei der Gesprächsführung. Auch das gemeinsame Schweigen, insbesondere aber das Zuhören, sind hilfreich zugewandte Kommunikationsformen. Gaspar führte in seinem sehr praxisnahen Vortrag wichtige kommunikationstheoretische Ansätze mit einer Reihe von Beispielen aus seinen eigenen Gesprächsführungen und ließ das Auditorium so an seinem tiefgreifenden Erfahrungsschatz teilhaben.

Professor Friedemann Nauck, Präsident der DGP, rückte in seinem Vortrag die Spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung (SAPPV) in den Vordergrund. Diese sei als Grundversorgung für Familien, die ihre unheilbar erkrankten Kinder auf ihrem letzten Lebensweg zu Hause begleiten möchten, derzeit finanziell absolut ungenügend ausgestattet und inhaltlich nicht immer umfassend abgedeckt. Was der Gesetzgeber bereits verabschiedet habe, müsse von den Krankenkassen noch umgesetzt werden. Ebenso bemängelte Nauck, dass die so wichtigen psychosozialen Leistungen im Bereich der SAPPV bisher bei der Abrechnung keine Berücksichtigung finden. Zahlen, Daten und Fakten zu den – teilweise schwer zugänglichen – Angeboten in der Kinderpalliativversorgung in Deutschland lieferte Peer Gent, Geschäftsführer der Sternenbrücke, in seinem Vortrag „Wer kann was? Wer darf was – Ein Qualitäts- und Leistungsvergleich von palliativen und hospizlichen Angeboten für junge Menschen“.

In weiteren Gesprächsforen standen vertraute und auch ganz neue Ansätze wie „Trauer 2.0 – Chancen und Gefahren des Internets bei Abschied und Trauer“ im Fokus. Dr. Thomas Sitte vom Schmerz- und Palliativzentrum Fulda führte die Diskussion zu „Wunderwaffe Fentanyl – Ein Weg zwischen Sinn und Sucht“. Ganz besondere schmerztherapeutische Aspekte und Erfahrungen mit neueren Behandlungsmethoden zur Schmerzlinderung brachte die Palliativmedizinerin Dr. Kamayni Agarwal von den Elbe-Kliniken Stade-Buxtehude vor das Auditorium.

In den 14 Workshops der Tagung nutzen die Teilnehmer der Hamburger Kinderpalliativtage auch die Möglichkeiten, ganz praktisch dazuzulernen: Aromatherapie konnte ausprobiert und in all ihren Raffinessen erfahren werden. Ebenso war die Akupressur ein Thema eines Workshops. Und der saarländischen PD Dr. Sven Gottschling vermittelte in dem Workshop „Mit Laser – ohne Strahl“ seine Erfahrungen mit Laserakupunktur bei der Behandlung schwerstkranker Kinder und Jugendlicher. Auch ethische und rechtliche Grenzfragen im Bereich der Pädiatrie und der Neonatologie fanden ihren Raum. In einem mehrstündigen Intensivworkshop mit Ute Nerge zu „Krankheit, Trauer, Tod und Sterben – Schwierige Gespräche einfühlsam mit erkrankten Kindern und ihren Geschwistern führen“, konnten die Teilnehmer von den langjährigen Erfahrungen der Initiatorin und Leiterin des Kinder-Hospiz Sternenbrücke profitieren. Die Kinder- und Jugendpsychologinnen Petra Rechenberg-Winter und Annette Linné-Genth warfen einen hilfreichen systemischen Blick auf die Dynamik von Familiensituationen.

Ärzte, Pädagogen, Kinderkrankenschwestern und -pfleger sowie Psychologen sind in ihrem Alltag in der pädiatrischen Palliativversorgung immer auch auf die Kenntnisse ihrer Kollegen angewiesen. Wie sehr all diese Berufsgruppen von dem Erfahrungsaustausch und dem Fachwissen der Anderen für ihre tägliche Arbeit profitieren können, hat sich auch bei den Hamburger Kinderpalliativtagen gezeigt. Der schwierige Balanceakt, so das einhellige Resumée nach den Palliativtagen, interprofessionell Wissen und Erfahrung auszutauschen, ist in Hamburg als mehr als geglückt.

Christiane Schüddekopf, Hamburg