Der Nuklearmediziner 2012; 35(2): 62
DOI: 10.1055/s-0032-1318810
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Belastungs-EKG – 85% der altersadaptierten Herzfrequenz als Abbruchkriterium überholt

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Publication Date:
17 January 2013 (online)

Die Amerikanische Gesellschaft für Nuklearmedizin in der Kardiologie empfahl bereits 2009, dass alle Belastungs-EKG beim Auftreten von Symptomen abzubrechen seien. Die alte Regel, dass eine Terminierung bei einem Puls von 85% der altersadaptierten Höchstgrenze von 220 erfolgen sollte, sei nicht vertretbar. Dass dies nicht nur vertretbar, sondern auch diagnostisch sinnvoll ist, zeigten nun Jain et al.

J Nucl Cardiol 2012; 6: 1026–1035

Am prospektiven Untersuchungsabschnitt nahmen 171 Männer und 135 Frauen teil, bei denen der Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung bestand oder die Diagnose bekannt war und eine Verlaufskontrolle erfolgte. 175 erreichten bei der Laufband-Ergometrie die klassische Grenze nicht (85% von 220 minus Alter/Minute; 85% maximal age-predicted heart rate, MPHR). Von ihnen nahmen 60% Beta-Blocker ein und 74% waren Männer. 14% erreichten 85% der MPHR, brachen aber nach maximal einer weiteren Minute ab. Die meisten Patienten konnten die Belastung weitere 3,5 min fortführen (69%). Dabei bestand ein geschlechtsspezifischer Unterschied zugunsten der Frauen (p = 0,02). Insgesamt hatten Frauen kürzere Untersuchungszeiten, eine höhere maximale Herzfrequenz und insgesamt geringere Arbeitslast, die in metabolischen Äquivalenten gemessen wurde.

Im 2. Teil der Studie analysierten Jain et al. retrospektiv die Laufband-Ergometrien von 4699 Patienten. 172 Männer und 128 Frauen hatten einen positiven Befund. Im Vergleich zur 1. Kohorte waren sie älter und hatten öfter eine bekannte koronare Herzkrankheit. Die Spitzenfrequenzen waren bei den Patienten mit positivem Laufband-EKG niedriger. 155 erreichten 85% der MPHR nicht. Nur 23 Patienten (8%) mit positivem EKG brachen die Untersuchung innerhalb von 1 min nach Erreichen von 85% der MPHR ab. Die Übrigen machten 3,5 min weiter. Besonders wichtig war der Zeitpunkt der EKG-Auffälligkeiten: Eine ST-Senkung zeigte sich bei 62%, wenn die 85%-Grenze erreicht war. Alle übrigen hatten die Ischämiezeichen später, nämlich zum Zeitpunkt der maximalen Anstrengung (p < 0,001). Die ST-Senkungen waren dann zudem ausgeprägter (2,3 vs. 1,2 mm; p < 0,001). Wenn nicht die klassische Frequenzgrenze, sondern die maximale Anstrengung als Abbruchkriterium gewählt wurde, resultierte dies in einer anderen Einstufung nach dem Duke-Laufband-Score: 32 Patienten kamen in eine höhere Risikogruppe. Von 86% der Patienten lagen Perfusionsaufnahmen vor (SPECT). 69% derjenigen, die 85% der MPHR nicht erreichten, hatten pathologische Befunde. Die Einnahme von Beta-Blockern hatte darauf keinen Einfluss.

Fazit

Wenn die 85%-MPHR-Grenze den Abbruch der Laufband-Ergometrie definiere, führe dies zu einer Unterschätzung der Belastungskapazität der Patienten, insbesondere von Frauen. Auch könnten belastungsabhängige Ischämiezeichen im EKG übersehen werden, die in der Studie oft erst bei höheren Herzfrequenzen auftraten. Die Autoren meinen deshalb, dass der Test bis zur maximalen Anstrengung durchgeführt werden sollte. Nur EKG-Auffälligkeiten und Beschwerden sollten ein Abbruchkriterium sein.

Dr. Susanne Krome, Melle