Gesundheitswesen 2012; 74 - A16
DOI: 10.1055/s-0032-1322002

Hilfesuchverhalten im Kontext von Partnergewalt gegen Frauen. Sekundärdatenanalyse der deutschen Repräsentativbefragung

P Brzank 1
  • 1Hochschule Fulda

Hintergrund: Etwa jede vierte Frau in Deutschland hat mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt durch einen Intimpartner erlitten (BMFSFJ 2004). Die gesundheitlichen und sozialen Folgen für die Betroffenen und ihre Kinder sind gravierend. Beratung und Unterstützung kann zur Reduzierung der Gesundheitsfolgen für die Betroffenen beitragen (Feder et al. 2009). Obwohl ein breites Netz an Unterstützungseinrichtungen zur Verfügung steht, nimmt im Vergleich zum Ausmaß von Partnergewalt nur ein geringer Teil der Betroffenen dieses Angebot war. Internationale Studien haben die Komplexität des Hilfesuchverhaltens gezeigt, für Deutschland besteht Forschungsbedarf. Ein besseres Verständnis der Einflussfaktoren auf das Hilfesuchen kann bei der Anpassung der Unterstützungsprojekte helfen.

Daten/Methodik: Mit der Repräsentativstudie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ (BMFSFJ 2004) wurden mehr als 10.000 zufällig ausgewählte Frauen über 16 Jahre anonym standardisiert und detailiert befragt. Im Fokus der Sekundärdatenanalyse stand die Frage: Welche Faktoren beeinflussen das Hilfesuchverhalten von Gewalt betroffenen Frauen? Das Studiensample umfasste 1.730 Frauen. Untersucht wurden demografische und Gesundheitsindikatoren, der Einfluss von personalen und sozialen Ressourcen sowie multiple Gewalterfahrung und die Schwere der erlittenen Partnergewalt. Nach einer univariaten Analyse erfolgt eine Korrelations- sowie Regressionsanalyse um jene Konstrukte zu ermitteln, deren Einfluss in einem Strukturgleichungsmodell weiter untersucht wurden.

Ergebnis: Regressionsanalysen verdeutlichen, dass das Mitverantwortlichkeitsgefühl für Gewalthandlungen die Chance für die Inanspruchnahme von Hilfe verringerte, während der Konsum von psychotropischen Substanzen, die Schwere der erlittenen Gewalt, Misshandlung in der Kindheit sowie eine höhere Anzahl an Verletzungen die Chance erhöhten. Weiter zeigte sich, dass demografische Merkmale der Frauen weder einen Einfluss auf das Auftreten und die Schwere der Gewalthandlungen noch auf ihre Hilfesuche hatten.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Schlüsselfunktion der Gesundheitsversorgung wird deutlich, denn die Mehrzahl der Betroffenen suchte dort Hilfe. Da die Schwere der Gewalt der wesentliche Faktor für die Inanspruchnahme von Unterstützung war, befinden sich hilfesuchende Frauen folglich in schweren Misshandlungsbeziehungen und müssen ernst genommen werden. Präventionsprogramme gegen Kindesmisshandlung und Gewalt bei Jugendlichen sollten (weiter-)entwickelt werden.

Literatur:

BMFSFJ (2004): 'Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland.' Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Feder G, Ramsay J, Dunne D, Rose M, Arsene C, Norman R, Kuntze S, Spencer A, Bacchus L, Hague G, Warburton A & Taket A (2009): 'How far does screening women for domestic (partner) violence in different health-care settings meet criteria for a screening programme? Systematic reviews of nine UK National Screening Committee criteria.' Health Technol Assess 13(16): iii-iv, xi-xiii, 1–113, 137–347.