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DOI: 10.1055/s-0032-1322098
Das Sexualwissen von Jugendlichen mit Behinderungen – Eine systematische Literaturübersicht
Einleitung/Hintergrund: Menschen mit Behinderungen wurden bisher als kindlich und unschuldig wahrgenommen bis hin zu einer von der Gesellschaft zugeschriebenen Asexualität1. Erst in den letzten 40 Jahren sichert der medizinische Fortschritt ein Überleben von Menschen mit Spina Bifida, Mukoviszidose und anderen angeborenen Krankheiten und Defekten bis ins Erwachsenenalter. Dies erklärt die späte Wahrnehmung behinderter Menschen als Zielgruppe für wissenschaftliche Forschung in Bezug auf Sexualität und Fertilität. Das Review gibt einen Überblick über Studien, die Informationen enthalten über die Vorbereitung von körperlich behinderten Jugendlichen auf Sexualität und Partnerschaft.
Methodik: Die Literaturrecherche erfolgte mittels der Datenbanken: Pubmed, Web of Science und Psycinfo zwischen August und Dezember 2010. Die Suchworte für die Datenbanken waren „sexuality“ oder „sexual behaviour“ oder „sexual knowledge“ und „adolescent“, „adolescence“ oder „teenager“ und „disability“ oder „handicap“ und „physical“. Eingeschlossen wurden Studien, welche die Sexualerziehung und das Sexualwissen von Jugendlichen und Adoleszenten mit körperlichen Behinderungen thematisieren, inklusive Studien über Jugendliche und junge Erwachsene mit chronischen Erkrankungen, die zu erheblichen körperlichen Einschränkungen führen.
Ergebnisse: Der systematischen Literaturübersicht liegen neun quantitativ angelegte Studien zugrunde. Fast alle Studienteilnehmer haben in irgendeiner Form Informationen zu Themen rund um die Sexualität erhalten. Primäre Informationsquellen sind die Eltern sowie die Schule. Die meisten befragten Adoleszenten haben wie ihre nicht behinderten Peers in der Schule Sexualkundeunterricht genossen12. Studienteilnehmer mit stärkeren Einschränkungen haben den Unterricht eher als nicht hilfreich empfunden3. In allen Untersuchungen waren Hauptthemen des Sexualkundeunterrichtes Fortpflanzung, Verhütung und Familienplanung sowie Geschlechtskrankheiten. Mütter sind bei den Eltern die bevorzugten Gesprächspartner bei Fragen bezüglich der Sexualität4. Die Eltern sprechen das Thema Sexualität generell an, geben darüber hinaus aber keine weiteren Informationen zu den behinderungsspezifischen Besonderheiten. Das Sexualwissen korreliert mit dem Alter der Probanden. Es ist jedoch unabhängig vom Geschlecht oder der Mobilität der Studienteilnehmer. Ein Wunsch nach mehr Informationen besteht bei Fragen zur Sexualität und Behinderung allgemein, Vererbung der Grunderkrankung, bzw. Einschränkung, Fertilität, Umgang mit vermindertem Lustempfinden und Gefühlsstörungen, Inkontinenz, Möglichkeiten der sexuellen Hilfestellungen, Alternativen sowie Gebrauch von Kondomen und Latexallergien.
Diskussion: Sexuelle Aufklärung ist wichtig für eine sexuell selbstbestimmte Lebensführung., Der Umgang mit Sexualität ist kulturell determiniert und unterliegt einem Wandel der Zeit. Die bessere Informationsweitergabe über Schwangerschaft und HIV/AIDS seitens der Eltern könnten als Angst der Eltern vor negativen Konsequenzen der Sexualität ihrer Kinder gedeutet werden. Diese Wahrnehmung deckt sich mit der vielbeschriebenen Überbehütung und Infantilisierung der körperlich behinderten Adoleszenten durch ihre Eltern. Fachkräfte sind Wunschansprechpartner bei Problemen wie Inkontinenz und Sexualität. Diese sollten darauf vorbereitet und gut ausgebildet sein. Fachkräften kommt dabei eine aktive Rolle bei der Aufklärung und Informationsweitergabe zu, da sich Eltern oft hilflos und überfordert fühlen. Besonders Ärzte und Schwestern werden von den Jugendlichen als Wunschansprechpartner angegeben. Diese verbinden auf besondere Weise die nötige Vertrautheit und Distanz um über sexuelle Fragen zu beraten. Eine Möglichkeit der Überforderung der Eltern zu begegnen ist, die Aufklärung abzukoppeln von anderen Erziehungsmaßnahmen durch professionelle Sexualpädagogen. Sexualpädagogik hilft, sich Fähigkeiten anzueignen, die zur selbstbestimmten Entscheidungsfindung notwendig sind.
Literatur:
(1) Cheng MM, Udry JR. Sexual behaviors of physically disabled adolescents in the United States. J Adolesc Health 200231:48–58.
(2) Wiegerink DJ, Roebroeck ME, Donkervoort M, Cohen-Kettenis PT, Stam HJ. Social, intimate and sexual relationships of adolescents with cerebral palsy compared with able-bodied age-mates. J Rehabil Med 200840:112–118.
(3) Berman H, Harris D, Enright R, Gilpin M, Cathers T, Bukovy G. Sexuality and the adolescent with a physical disability: understandings and misunderstandings. Issues Compr Pediatr Nurs 199922:183–196.
(4) Stevens SE, Steele CA, Jutai JW, Kalnins IV, Bortolussi JA, Biggar WD. Adolescents with physical disabilities: some psychosocial aspects of health. J Adolesc Health 199619:157–164.