JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2012; 1(2): 72-73
DOI: 10.1055/s-0032-1322563
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Liebe Lara

Löwe Lukas schreibt einen Brief
Rebecca Stry
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Publication Date:
25 July 2012 (online)

... vor wenigen Tagen ist deine Schwester gestorben. Ich kann mir gut vorstellen, dass du gerade viele unangenehme Gefühle durcheinander erlebst. Das ist ganz normal. Auch dein Körper kann dann unter Schock stehen und fühlt sich ganz merkwürdig an. Hier sind einige der Gefühle, die Kinder in deiner Situation fühlen:

  • Übelkeit

  • Angst

  • Wut

  • Ratlosigkeit

  • Traurigkeit

  • Albernheit

  • Schuld

Es kann auch sein, dass du dich wunderst, dass du gar nichts fühlst. Dann fragst du dich: Warum bin ich nicht traurig? Warum kann ich nicht weinen? Auch das ist vollkommen normal und bedeutet nicht, dass dir der Tod deiner Schwester nichts ausmacht. Jeder reagiert anders.

Es ist hilfreich, wenn du jemanden hast, dem du von deinen Gefühlen erzählen kannst und der dich in den Arm nimmt.

Jetzt wirst du es vielleicht gar nicht glauben können, dass deine Schwester gestorben ist. Es wird einige Tage, Wochen oder auch Monate dauern, bis du nach und nach verstehen kannst, was passiert ist und dass sie nicht mehr zurückkommt.

Du bist jetzt so traurig, weil du deine Schwester so gern hattest.

Du hast bestimmt schon bemerkt, dass deine Eltern auch sehr, sehr traurig sind. Vielleicht weinen sie, vielleicht auch nicht. Wenn du weinen musst, dann musst du deine Tränen nicht verstecken. Jeder muss weinen. Mädchen, Jungen, Frauen, Männer. Viele Kinder versuchen, nicht zu weinen, weil sie nicht wollen, dass ihre Eltern noch trauriger werden. Keine Sorge, du machst deine Eltern nicht traurig, wenn du weinst.

Geschwister streiten sich. Oft wünschen sie sich auch Böses. Es kann sein, dass du manchmal denkst, dass es deine Schuld ist, dass es deiner Schwester nicht gut ging. Nichts, was du gesagt oder getan hast, hat bewirkt, dass deine Schwester krank wurde und gestorben ist.

Es kann sein, dass deine Eltern und die anderen Erwachsenen aus deiner Familie mit dir jetzt weniger sprechen als sonst. Sie meinen das nicht böse. Sie wollen dich vor all den traurigen Gedanken beschützen, damit du nicht noch trauriger wirst.

Sag ihnen ruhig, dass du mit ihnen über deine Schwester sprechen möchtest. Du darfst ihnen alle Fragen stellen, die dich beschäftigen. Es kann euch allen helfen, wenn ihr miteinander sprecht, miteinander kuschelt, miteinander weint und auch miteinander lacht.

Es kann sein, dass du jetzt häufig von deiner Schwester träumst. Das können schöne, aber auch traurige und gruselige Träume sein. Das ist ganz normal. Schließlich beschäftigt dich das alles gerade sehr. Erzähle deinen Eltern von deinen Träumen. Vielleicht haben sie auch etwas geträumt.

Es wird dir schwer fallen, dich in der Schule zu konzentrieren. Du wirst bestimmt immer wieder an deine Schwester und auch an deine traurigen Eltern denken. Aber nach und nach wirst du auch wieder Spaß am Lernen und an der Schule finden. Sprich mit deinem Lieblingslehrer darüber. Er wird dich verstehen.

Ich habe ein paar Ideen, was dir in deiner Trauer helfen kann

  • Schreib all die Dinge auf, die du deiner Schwester noch sagen möchtest. Du kannst dich in dem Brief auch entschuldigen, falls ihr euch mal gestritten habt. Wenn du noch nicht schreiben kannst, dann kannst du auch ein Bild malen oder einen Erwachsenen fragen, ob er dir hilft.

  • Sprich mit deiner Schwester. Das kannst du laut in deinem Zimmer machen, auf dem Friedhof oder aber auch leise in deinem Kopf. Es gibt schließlich immer wieder Dinge, die du ihr erzählen willst.

  • Frage deine Eltern nach einem Foto von deiner Schwester. Überleg dir einen Ort, wo du es aufheben möchtest. Du kannst es zum Beispiel in deiner Geldbörse oder deiner Schultasche immer bei dir tragen.

  • Frage deine Eltern, ob du ein Kuscheltier, Spielzeug oder Kleidungsstück von deiner Schwester haben darfst. So kannst du ihren typischen Duft noch riechen und damit kuscheln. Du fühlst dich ihr so näher.

  • Du kannst dir eine Erinnerungskiste basteln. Dort kannst du all die schönen und auch nicht so schönen Erinnerungen aufmalen, aufschreiben oder etwas anders basteln und in die Kiste packen.

  • Wenn du traurig oder wütend bist, kann es dir helfen, wenn du Sport machst. Spiele, schwimme, renne!

  • Wenn du möchtest, kannst du auch anderen davon erzählen, dass deine Schwester gestorben ist, z. B. deinen Lehrern, Freunden, Trainern. Dann verstehen sie, dass du traurig oder wütend bist.

  • Du darfst und sollst auch Spaß haben, wenn dir danach ist.

Du wirst dich immer an deine Schwester erinnern. Diese Erinnerungen kann dir keiner nehmen.

Alles Liebe und Gute wünscht Dir

Lukas