Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A17
DOI: 10.1055/s-0032-1323180

Ausnahmeindikationen nach § 28 SGB und ihre zahnärztlich-implantologische Versorgung – eine retrospektive Auswertung der sozialmedizinischen Begutachtung

CH Baulig 1, O Meny 2, L Buff 2
  • 1Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie der Universität Witten/Herdecke, Witten
  • 2Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz, Alzey

Für besonders schwere Fälle hat der Gesetzgeber Ausnahmeindikationen definiert, bei denen implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung von den Gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. In vorliegender retrospektiver Studie wurden 324 sozialmedizinische Erstgutachten (w 162, m 162, 14–89 Jahre) des MDK Rheinland-Pfalz (2005–2011) hinsichtlich einer möglichen Ausnahmeindikation ausgewertet. Als Ausnahmeindikationen lagen bei 20% (n=64) eine Xerostomie nach Radiatio (X), bei 18% (n=59) ein größerer Kiefer- oder Gesichtsdefekt nach Tumoroperation (TO), bei 13% (n=41) genetische Nichtanlagen (NA), bei 12% (n=40) nicht willentlich beeinflussbare Fehlfunktionen (FF) und bei 7% (n=22) angeborene Fehlbildungen (LKG) vor. 21% der Gutachten (n=69) wurden aufgrund des solitären Vorliegens einer Kieferkammatrophie (KA) erstellt. Insgesamt konnten 141 der Erstgutachten (44%) befürwortet werden. Ausnahmeindikationen nach TO wurden zu 83% (n=49) anerkannt, X zu 75% (n=48), LKG zu 59% (n=13), FF zu 53% (n=21) und NA zu 12% (n=5). Durchweg abgelehnt wurden alle KA. Im intraindividuellen Vergleich wurden für alle positiv beschiedenen Fälle im Median zwei Implantate (Min –16; Max 3) weniger genehmigt als beantragt (p<0,001 Vorzeichentest für verbundene Stichprobe). Bei TO und X wurden intraindividuell im Median null Implantate, bei LKG im Median ein Implantat, und bei NA und FF im Median zwei Implantate weniger genehmigt als beantragt. Bei den negativ beschiedenen KA wurden im Median vier Implantate abgelehnt. Die Auswertung zeigt, dass neben dem Vorliegen eines „besonders schweren Falles“ die Frage nach einer möglichen konventionellen prothetischen Versorgung eine weitere Voraussetzung für eine sozialmedizinische Befürwortung darstellt. Weiterhin hat die Beurteilung der für die medizinische Gesamtplanung notwendigen Implantatzahl dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu folgen.

Literatur:

1. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gem. § 91 Abs. 6 SGB V in der Besetzung für die vertragszahnärztliche Versorgung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungs-Richtlinien) vom 04. Juni 2003 und 24. September 2003 in der ab 18. Juni 2006 gültigen Fassung, Bundesanzeiger Nr. 111 vom 17. Juni 2006, Seite 4466

2. Implantat-Versorgung zur oralen Rehabilitation im Zusammenhang mit Kopf-Hals-Bestrahlung. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 007/089