Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A360
DOI: 10.1055/s-0032-1323523

Sexualwissen vs. Sexualverhalten – Ein Vergleich zwischen Jugendlichen mit und ohne Behinderungen in Sachsen

S Wienholz 1, A Seidel 2, M Michel 2, M Häußler-Szcepan 3, SG Riedel-Heller 1
  • 1Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig
  • 2Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig
  • 3Hochschule Mittweida - Fachbereich Soziale Arbeit, Mittweida

Über die Sexualität von Menschen mit Behinderungen gibt es bisher nur wenige zuverlässige Daten. In einer repräsentativen Erhebung wurden sachsenweit behinderte Jugendliche zu ihren Einstellungen und Verhalten in Bezug auf Sexualität und Kontrazeption befragt und mit den Daten einer nichtbehinderten Altersgruppe verglichen (BZgA 2010). Von 11/2010–05/2011 wurden 169 Jungen & Mädchen mit Körper- & Sinnesbehinderungen im Alter von 12–18 Jahren befragt. Die Rekrutierung erfolgte über die Förderschulen in Sachsen, die Befragung fand schriftlich im Klassenverband mit Einverständnis der Eltern statt. Ein an die Zielgruppe angepasster Fragebogen in Leichter Sprache diente als Erhebungsinstrument. Sowohl Jugendliche mit als auch ohne Behinderung wurden mit sexualpädagogischen Themen in der Schule konfrontiert, behinderte Jugendliche jedoch deutlich seltener als ihre nichtbehinderten Altersgenossen. Biologisch orientierte Themen dominieren die schulische Sexualaufklärung. Etwa jeder 4. der Jugendlichen mit Behinderung (23%) verfügt über Erfahrung mit Geschlechtsverkehr. Unter den behinderten Jungen sind es etwa doppelt so viele (28%) als bei den Mädchen (15%) und ist zudem stark abhängig von der Art der Behinderung. Bei den nichtbehinderten Jugendlichen haben 36% der Jungen & 43% der Mädchen Koitus-Erfahrung. Beim 1. Geschlechtsverkehr haben mehr Jugendliche mit Behinderung verhütet als Jugendliche ohne Behinderung. Im weiteren Verlauf jedoch zeigen nichtbehinderte Jugendliche ein konsequenteres Verhütungsverhalten. Es empfiehlt sich der weitere Ausbau sexualpädagogischer Angebote im Förderschulbereich. Dabei sollte frühzeitig mit einer praxisorientierten und behindertenspezifischen Sexualaufklärung begonnen werden, die in geeigneter Form und kontinuierlich vermittelt wird. Damit kann ein Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonventionen sowie zur Prävention ungewollter Schwangerschaften im Jugendalter geleistet werden.

Literatur: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010): Jugendsexualität. Repräsentative Wiederholungsbefragung von 14- bis 17-Jährigen und ihren Eltern. Aktueller Schwerpunkt Migration. Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung. Köln