Z Geburtshilfe Neonatol 2012; 216(06): 259-268
DOI: 10.1055/s-0032-1323795
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die psychosoziale Versorgung in der Neonatologie in Deutschland: Eine quantitativ-empirische Bestandsaufnahme aus ärztlicher Perspektive

Psychosocial Care in Institutional Neonatology in Germany: A Quantitative-Empirical Inventory from the Medical Professionals’ Perspective
R. Kißgen
1   Universität Siegen – Fakultät II, Lehrstuhl für Entwicklungswissenschaft und Förderpädagogik
,
J. Carlitscheck
1   Universität Siegen – Fakultät II, Lehrstuhl für Entwicklungswissenschaft und Förderpädagogik
,
C. Rapp
2   Caritas Förderzentrum St. Laurentius und Paulus Frühförderzentrum, Sozialpädiatrisches Zentrum und Frühförderstelle, Landau/Pfalz
,
S. Franke
1   Universität Siegen – Fakultät II, Lehrstuhl für Entwicklungswissenschaft und Förderpädagogik
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Publikationsverlauf

eingereicht27. April 2012

angenommen nach Überarbeitung30. Mai 2012

Publikationsdatum:
21. Dezember 2012 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung:

Die Studienlage zur langfristigen Entwicklung frühgeborener Kinder hebt die Bedeutung der Eltern als Schutzfaktor heraus. Eine die Neonatalzeit begleitende psychosoziale Versorgung der Eltern zur Abmilderung der Auswirkungen des kritischen Lebensereignisses Frühgeburt ist daher notwendig. Das Ziel der Studie ist die Erhebung der ärztlichen Einschätzung des Angebotes an psychosozialen Versorgungsleistungen auf Frühgeborenenstationen in Deutschland.

Methodik:

Repräsentative Fragebogenerhebung auf deutschen Frühgeborenenstationen. Deskriptive Auswertung der Häufigkeitsverteilungen. Mittelwertvergleich zwischen neuen und alten Bundesländern und den Versorgungsstufen (Level I – III).

Ergebnisse:

Die für Elterngespräche verfügbare Zeit wird von knapp einem Drittel (31,9%) der Ärztinnen und Ärzte als nicht ausreichend erachtet, von den Elterngesprächen fühlen sich 22,2% der Ärztinnen und Ärzte überfordert. Die Option der Zusammenarbeit mit einer Fachkraft der psychosozialen Versorgung ist auf 67,0% der Frühgeborenenstationen als Standard vorhanden. 95,7% der Ärztinnen und Ärzte bewerten diese Kooperation als wünschenswerte Unterstützung und 97,9% beurteilen die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Neonatologie generell als wichtig.

Schlussfolgerungen:

Mehr Zeit für Elterngespräche ist wünschenswert und notwendig. Auf den Frühgeborenenstationen sollten die Angebote im Bereich der psychosozialen Versorgung ausgebaut und entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen bereit gestellt werden.

Diskussion:

Auf vielen Frühgeborenenstationen ist das Bewusstsein für eine wertschätzende, familiengerechte Atmosphäre sowie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit vorhanden. An dieses Bewusstsein gilt es auch aus der Forschungsperspektive anzuknüpfen und den Umsetzungsstand psychosozialer, familienzentrierter Begleitmaßnahmen weiter zu untersuchen.

Abstract

Background:

The available studies concerning the long-term development of preterm infants emphasise the protective significance of the parents. As a consequence, concomitant psychosocial support for parents during the neonatal period aiming at moderating the adverse effects of the critical incident “premature birth” is deemed to be imperative. The aim of this study is to assess the supply of psychosocial services in neonatal care units as viewed by medical professionals in Germany.

Methods:

A representative questionnaire-based survey in German neonatal care units was undertaken. A descriptive evaluation was made of ­frequency distributions, comparison of means between former West German and former East German states and levels of neonatal care (levels I–III).

Results:

The time-budget available for parent consultation is considered insufficient by approximately one third (31.9%) of the medical personnel, 22.2% of the interviewees felt this task to be excessively demanding. As a standard, the option for cooperation with a qualified psychosocial consultant is available in 67.0% of the neonatal care units. 95.7% of the medical personnel consider this cooperation a desirable support; 97.9% consider interdisciplinary cooperation in neonatology a desirable option in general.

Conclusions:

Additional time for parent consultation is desirable and necessary. Psychosocial services should be extended and provided for in neonatal care units and appropriate financial and personnel resources should be made available.

Discussion:

In many neonatal care units there is an awareness for the benefits of an apprecia­tive, family-centred atmosphere as well as interdisciplinary cooperation. This is a favourable ­starting point for research efforts concerning further inquiries into implementation standards of family-centred, concomitant consultation.