Z Gastroenterol 2012; 50 - K078
DOI: 10.1055/s-0032-1324013

Gastroskopie und Koloskopie bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung vor Lebertransplantation – Befunde und prädiktive Parameter in einer prospektiven Untersuchung

TJ Weismüller 1, 2, F Bleich 1, AA Negm 1, A Schneider 1, TO Lankisch 1, 2, MP Manns 1, 2, CP Strassburg 1, 2, J Wedemeyer 1, 2, 3
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Hannover, Germany
  • 2Medizinische Hochschule Hannover, Integrated Research and Treatment Center – Transplantation (IFB-Tx), Hannover, Germany
  • 3Klinikum Robert Koch Gehrden, Innere Medizin, Gehrden, Germany

Seit Einführung der MELD-basierten Organallokation 12/2006 werden bei der Lebertransplantation (LTX) Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung und häufig erheblichen Komorbiditäten priorisiert. Vor LTX erfolgt daher eine ausführliche Evaluation, um potentielle peri- und postoperative Risiken zu erkennen. Ob Vorsorge-Endoskopien des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts dabei zwingend Bestandteil der Evaluation sein sollten, ist bislang nicht einheitlich geregelt.

In dieser prospektiven Untersuchung ermittelten wir daher die Häufigkeit pathologischer Befunde bei LTX-Kandidaten sowie prädiktive Parameter für deren Vorhandensein.

Über einen Zeitraum von 2 Jahren wurde bei 276 LTX-Kandidaten eine Gastroskopie und bei 243 LTX-Kandidaten eine Koloskopie durchgeführt. Die endoskopischen Befunde sowie Komplikationen wurden standardisiert erfasst und Korrelationen der Befunde mit biochemischen oder klinischen Parametern wurden mittels Mann-Whitney- und chi-Quadrat-Test analysiert.

Nur 9,1% (Gastroskopie) bzw. 23,5% (Koloskopie) der Patienten wiesen einen Nomalbefund auf. Die häufigsten Befunde waren Ösophagusvarizen (63%), Hypertensive Gastropathie (59,4%), Kolorektale Polypen (45,7%), Gastritis (37,7%), Hypertensive Kolopathie (24,3%), Divertikulose (21%), Rektumvarizen (19,8%), Ösophagitis (15,9%), Hämorrhoiden (13,6%), Magenulzera (8,3%) und Fundusvarizen (6,5%). Bei einem Patienten fand sich ein Magenkarzinom. Bei 86 Patienten wurden kolorektale Polypen entfernt, wobei die Histologie bei 51 Patienten intraepitheliale Neoplasien ergab. Ein „Polyp“ erwies sich als Metastase eines bislang nicht bekannten Mammakarzinoms. Die Prävalenz neoplastischer Polypen nahm mit dem Alter signifikant zu: 10% bei Patienten <40 Jahren gegenüber 22% bei Patienten ≥40 Jahren. Schwere Komplikationen traten nicht auf; postinterventionelle Blutungen (bei 1,7% aller Koloskopien) nach Polypektomie oder Biopsie konnten mittels Clipapplikation oder Unterspritzung kontrolliert werden.

Angesichts der Häufigkeit relevanter Befunde sollte eine Gastroskopie obligatorischer Bestandteil der LTX-Evaluation sein, wohingegen aufgrund der Altersabhängigkeit neoplastischer Polypen eine Koloskopie bei allen Patienten über 40 Jahre oder bei zusätzlichen Risikofaktoren erfolgen sollte.